Die Legende
begann dann aber allmählich, seinerseits anzugreifen. Der Kampf ging weiter, beide Männer schwitzten heftig. Es war für alle offensichtlich, daß die beiden sich in Fertigkeit und Geschick in nichts nachstanden und sich an Kraft und Reichweite ebenbürtig waren. Reks Klinge ritzte die Haut über Joacims Schulter auf. Der Krummsäbel schoß vor und verwundete Rek am Handrücken. Beide umkreisten sich wachsam, schwer atmend.
Joacim griff an. Rek parierte und konterte. Joacim sprang zurück, und beide umkreisten sich erneut. Arbedark, der beste Schwertkämpfer Der Dreißig, staunte über ihre Technik. Er hätte es zwar mit beiden aufnehmen können, aber seine Fertigkeiten waren durch eine geistige Macht geschärft, die diese beiden Kämpfer bewußt nie begreifen würden. Und doch verwendeten beide unbewußt dieselben Techniken. Es war ebensosehr ein Kampf des Geistes wie der Schwerter – und auch auf diesem Gebiet waren sie sich ebenbürtig.
Serbitar pulste eine Frage an Arbedark: »Ich bin zu nahe dran, um ein Urteil zu fällen. Wer wird gewinnen?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete Arbedark. »Es ist faszinierend.«
Beide Männer wurden jetzt rasch müde. Rek hatte sein Langschwert mit beiden Händen gepackt. Sein rechter Arm konnte das volle Gewicht der Klinge nicht mehr allein bewältigen. Er holte zu einem Hieb aus, den Joacim verzweifelt parierte; dann traf sein Schwert den Säbel zwei Fingerbreit über dem Heft – und die gekrümmte Klinge zerbrach. Rek trat vor und setzte Joacim die Spitze seines Schwerts an die Kehle. Der dunkle Sathuli rührte sich nicht, starrte Rek nur trotzig an. Seine braunen Augen hielten dem Blick des Gegners stand.
»Und was ist dein Leben nun wert, Joacim Sathuli?«
»Ein zerbrochenes Schwert«, antwortete Joacim.
Rek streckte die Hand aus und nahm das nutzlose Heft entgegen.
»Was soll das bedeuten?« fragte der verblüffte Anführer der Sathuli.
»Ganz einfach«, antwortete Rek. »Wir alle hier sind praktisch tot. Wir reiten nach Dros Delnoch, um uns einer Armee zu stellen, wie die Welt sie noch nie gesehen hat. Wir werden den Sommer nicht überleben. Du bist ein Krieger, Joacim – und ein würdiger dazu. Dein Leben ist mehr wert als eine zerbrochene Klinge. Wir haben durch diesen Kampf nichts bewiesen, außer daß wir Männer sind. Ich habe nichts weiter zu erwarten als Krieg und Feinde.
Da wir uns in diesem Leben nicht mehr begegnen werden, würde ich gern glauben, daß ich wenigstens ein paar Freunde zurücklasse. Willst du meine Hand nehmen?« Rek schob sein Schwert in die Scheide und reichte ihm die Hand.
Der große Sathuli lächelte. »In unserer Begegnung liegt etwas Seltsames«, sagte er, »denn als mein Schwert zerbrach, in dem Moment, als ich dem Tod ins Auge sah, fragte ich mich, was ich getan hätte, wenn dein Schwert zerbrochen wäre. Sag mir, warum reitest du in den Tod?«
»Weil ich muß«, antwortete Rek schlicht.
»Sei es denn. Du bittest um Freundschaft, und ich gewähre sie dir, obwohl ich Schwüre geleistet habe, daß sich kein Drenai je auf Sathuli-Land sicher fühlen würde. Ich gewähre dir diese Freundschaft, weil du ein Krieger bist und weil du sterben wirst.«
»Sag mir, Joacim, von Freund zu Freund, was hättest du getan, wenn meine Klinge zerbrochen wäre?«
»Ich hätte dich getötet«, antwortete der Sathuli.
17
Der erste Frühjahrssturm brach über den Delnoch-Bergen los, als Gilad den Wachposten auf Mauer Eins ablöste. Donner grollte zornig, während zackige Blitze den Nachthimmel zerrissen und die Festung für einen Augenblick hell erleuchteten. Ein wütender Wind pfiff und fauchte über die Mauern.
Gilad kauerte sich unter den Vorsprung unter dem Torturm und rückte das kleine Kohlebecken in den Windschatten der Mauer. Sein Umhang war bereits durchweicht, und Wasser rann ihm aus dem nassen Haar auf die Schultern und sickerte von dort unter die Brustplatte, wo es das Leder seines Panzerhemdes durchdrang. Doch die Mauer strahlte die Hitze der glühenden Kohlen zurück, und Gilad hatte schon schlimmere Nächte auf der sentrischen Ebene verbracht, wo er zugewehte Schafe in winterlichen Schneestürmen freigeschaufelt hatte. In regelmäßigen Abständen stand er auf und spähte über die Mauer nach Norden, auf einen Blitz wartend, der die Ebene erhellte. Nichts rührte sich dort.
Ein Stück weiter entlang der Mauer explodierte ein Kohlebecken, als der Blitz einschlug, und ein Schauer von glühenden Kohlen regnete auf ihn herab.
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