Die Legende der Dunkelheit: Thriller

Lichter im Haus ausgegangen waren. Er fand eine Hintertür, die unverschlossen war, und grinste erfreut, weil sich diese Leute hier in einer falschen Sicherheit wiegten. Lautlos schlich er sich ins Haus und stieß auf den Hund, der schlafend auf dem Fußboden lag. Als er einen Schritt weiterging, hob der Hund den Kopf, fletschte die Zähne und knurrte ihn mit aufgestellten Nackenhaaren an, aber bevor er bellen konnte, sauste das Katana durch die Luft und schlug dem Hund den Kopf ab.
    Tanaka lief durch das Haus und begutachtete die chinesischen Gemälde und die Porzellanfiguren auf dem Kaminsims. Während der Bau von außen wie amerikanischer Kolonialstil wirkte, war sein Innenleben die chinesische Provinz und damit alles, was er hasste auf dieser Welt. Übelkeit überkam ihn, denn mit einem Schlag türmte sich seine ganze Vergangenheit vor ihm auf.
    Keine vierundzwanzig Stunden nach Pearl Harbor begann Japan mit dem Angriff auf Hongkong. Da er aus Nagasaki stammte, wo seine Familie den Lebensunterhalt damit verdiente, Schiffe für die Kaiserlich Japanische Marine zu bauen, hatte Tanaka zu den Truppenverbänden gehört, die den Angriff vom 8. Dezember 1941 durchgeführt hatten. Siebzehn Tage später, am Weihnachtsmorgen, griffen er und seine Kameraden das St. Stephen’s College an und folterten und töteten britische Soldaten und medizinisches Fachpersonal – der letzte Schritt, um die Stadt endgültig zu erobern. Wenige Stunden später waren er und seine Garnison zugegen, als Gouverneur Mark Young in ihrem Hauptquartier im Peninsula Hotel kapitulierte. Der Tag ging für alle Zeiten in die Geschichte ein als Black Christmas .
    In den folgenden zwei Jahren war Tanaka Mitglied einer Einheit, die unter dem Namen Kin no yuri oder »Goldene Lilie« bekannt war, einer Elitetruppe, die Museen und Tempel überfiel, die Häuser der Reichen, Banken und Industriegebäude und alles konfiszierte, was von Wert war, mit einem besonderen Augenmerk auf Gold. Auf Befehl von General Yamashita reiste er durch ganz Südostasien und half dabei, die Schätze zu scheffeln und in Höhlen und Tunneln auf den Philippinen zu lagern, bis man sie von dort nach Japan verschiffte. Zweieinhalb Jahre später, am 14. August 1945, wurde ein japanisches Kriegsschiff mit Tausenden von Kisten beladen, die angeblich einen Wert von mehreren Milliarden Dollar hatten. Die meisten Mitglieder der Kin no yuri -Einheit wurden ermordet, und das gleiche Schicksal ereilte die Arbeiter, die am Beladen des Schiffes beteiligt gewesen waren. Nur so konnte das Geheimnis des Kaiserreichs gewahrt werden. Das Schiff mit seinem Schatz, der bekannt wurde unter dem Namen Yamashitas Gold , stach mit Ziel Japan in See.
    Am nächsten Tag kapitulierten die Japaner. Tanaka, dem es irgendwie gelungen war, seiner Ermordung zu entgehen, verstand anfangs überhaupt nicht, was passiert war, doch er kam schnell dahinter, dass sechs Tage vorher der größte Teil seiner Heimatstadt Nagasaki von einer Plutoniumbombe vernichtet worden war, die irgendjemand krasserweise »Fat Man« genannt hatte.
    Seine Eltern, Tanten und Onkel und seine jüngeren Brüder waren alle tot, und er wurde verhaftet, vor Gericht gestellt und wegen Kriegsverbrechen ins Gefängnis geworfen. Zehn Jahre später schwelte der Hass auf China und Amerika immer noch in ihm, und er wurde aus der Haft entlassen als gebrochener und verbitterter Mann.
    Und als er jetzt auf das junge Mädchen blickte, das in seinem Bett lag und tief und fest schlief, auf ein Kind, das der Inbegriff seines Hasses war, kam ihm etwas in den Sinn, was noch viel schlimmer war, als sie zu töten, sie zu enthaupten, oder ihr mit der Klinge den Bauch aufzuschlitzen.
    Jane erwachte aus ihrem Traum und stürzte in einen Albtraum. Sie spürte den kalten Stahl an ihrem Hals, und ihr Blick glitt an der schimmernden Klinge hinauf zu dem Mann mit den grausamen Augen, der ihr plötzlich mit der Hand den Mund zuhielt.
    »Wenn du schreist«, flüsterte er, »wenn du auch nur einen Mucks machst, schneide ich dir den Kopf ab.«
    Starr vor Entsetzen sah sie, wie der Mann die Bettdecke wegzog, sodass sie mit nackten Armen und Beinen dalag, nur mit ihrem Nachthemd bekleidet. Als er sich über sie beugte, konnte sie seinen stinkenden Atem riechen, eine Mischung aus Knoblauch und Zahnfäule. Und in diesem grauenvollen Moment wurde ihr plötzlich bewusst, dass sie ihn kannte: Mr Tanaka, der schweigsame Hausmeister aus der Schule.
    Und er vergewaltigte sie, richtete