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Die Legende der Dunkelheit: Thriller

Die Legende der Dunkelheit: Thriller

Titel: Die Legende der Dunkelheit: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Doetsch
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seinen ganzen Hass auf dieses Mädchen chinesischer Abstammung. Seinen Abscheu gegen dieses amerikanische Kind, gegen dieses Land, das seine Eltern zu Asche verbrannt hatte, gegen die Chinesen, die ihn ins Gefängnis geworfen hatten, gegen diese beiden Kulturen, die sich in diesem kleinen unbedeutenden Wesen manifestierten.
    »Wenn du auch nur einer Menschenseele etwas erzählst«, flüsterte Tanaka ihr ins Ohr, »dann komme ich wieder und töte deine Schwester vor deinen Augen.«
    Als Tanaka in den Flur trat, sah er die Eltern. Sie standen da in ihrer Nachtwäsche, starr vor Entsetzen beim Anblick des Mannes mit dem Schwert. Ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, schwang er die Klinge und köpfte die Mutter. Den Vater, den Chinamann, verschonte er jedoch. Denn was er ihm angetan hatte, war noch viel schlimmer, als wenn er ihn getötet hätte. Er hatte ihn in das Gefängnis der Trauer geworfen, in ein Gefängnis, dem er sein Leben lang nicht mehr entkommen würde, das ihn genauso verfolgen würde, wie ihn die Vorstellung seiner verbrennenden Familie stets verfolgt hatte.
    Tanaka wurde nie gefasst. Man fand keine Hinweise, die auf die Spur des Täters geführt hätten. Die Zeitungen druckten Aufschreie, in denen es hieß, ein Wahnsinniger würde frei herumlaufen, der seine Opfer enthauptete. Trotzdem sagten Jane und ihr Vater der Polizei kein Wort. Sie hatten Angst um Janes Schwester und fürchteten um ihr eigenes Leben, weil sie wussten, dass dieser gnadenlose Mann seine Drohung wahrmachen würde, wenn sie die Polizei einschalteten.
    Neun Monate später wurde Jon geboren. Seine sechzehnjährige Mutter war gefühllos und kalt. Ihm fiel nicht auf, dass er keine Mutterliebe bekam, weil er nie geliebt worden war. Er verstand nicht, dass sie jedes Mal, wenn sie ihn ansah, seinen japanischen Vater in ihm sah, und er verstand nie, dass Tanaka nicht nur ihren Körper vergewaltigt hatte, sondern auch ihre Seele, und zwar bis in alle Ewigkeit.
    Als Jon zehn Jahre alt war, nahm seine Mutter sich schließlich das Leben.
    Sein Großvater brachte ihn und seine Tante Carol zurück nach China, nach Hongkong, und zog ihn dort groß, machte ihn vertraut mit seinem kulturellen Erbe und dessen Geschichte. Er lehrte Jon Sprachen, Philosophie und Mathematik. Er brachte ihm alles bei, was es über Chinas Mythen und Legenden zu wissen gab, erzählte ihm Sagen von Prinzen und Kaisern und Admiralen, die auf gewaltigen Drachenschiffen in geheimnisvolle Länder gesegelt waren, Geschichten über Glücksbringer, Schwerter und über den Tod. Er unterwies ihn in der Lehre vom Gleichmaß und in der Östlichen Denkweise, in Wushu, im Schreiben und in der Kunst.
    Als Jon ein Teenager wurde, begann er, seinen Großvater zu bedrängen, plötzlich wollte er etwas über seinen Vater wissen: wer er war, warum er nie da war, wo er wohl sein könnte. Doch sein Vater blieb ein Mysterium, ganz so, als hätte sein Großvater vergessen, dass es ihn je gegeben hatte, als hätte man jede Erinnerung an ihn aus dem Gedächtnis verbannt.
    Die Wahrheit erfuhr Jon schließlich zwei Tage nach seinem siebzehnten Geburtstag. Sein Großvater lag schon im Sterben, als er Jon erzählte, was geschehen war, was für ein liebevoller und starker Mensch seine Mutter sechzehn Jahre lang gewesen war und wie Tanaka ihr all das geraubt hatte. Er flehte Jon an, nicht auf Rache zu sinnen, sondern zu verstehen, dass aus etwas so Bösem doch etwas so Besonderes erwachsen konnte wie er.
    Nach dem Tod seines Großvaters erbten Jon und seine Tante eine bescheidene Summe Geld, die es Jon ermöglichte, aufs College zu gehen, etwas zu lernen und sich eine Existenz aufzubauen. Seine Tante hielt es für das Beste, wenn sie in die Vereinigten Staaten zurückkehrten, und traf Vorbereitungen für einen Umzug nach Colorado, weit weg von Los Angeles, einer Stadt mit zu vielen grausamen Erinnerungen. Jon wetterte zwar dagegen, doch sie war sein Vormund, und deshalb hatte er keine Wahl.
    Voller Verwirrung, Tragik und Rachegedanken schnappte sich Jon seinen Reisepass, ein paar Tausend Dollar Bargeld, verließ das Haus seines Großvaters und verschwand im Dunkel der Nacht.
    Doch Jon ging nicht zurück nach Los Angeles, um Rache zu üben. Stattdessen reiste er nach Japan, fand dort Arbeit als Koch, auf dem Bau und als Gärtner und verdiente damit so viel Geld, dass er sich eine Einzimmerwohnung leisten konnte. Und er fing an, alles über Japan zu lernen, was es darüber zu wissen gab. Er saugte die Kultur

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