Die Legende der Dunkelheit: Thriller
plötzlich bewusst wurde, wer dieser Mann war, und in seinen Augen die Erkenntnis aufschien, dass er seinen eigenen Mörder gezeugt hatte. Schmerz und Angst übermannten ihn, während er versuchte, zu atmen und sich auf seinen Sohn zu konzentrieren.
Mit feierlich langsamer Geste hob Jon das Katana über den Kopf, damit dieser Mann jede einzelne seiner Bewegungen sah und auf sich wirken ließ. Damit er begriff, dass der Tod nur noch Sekunden entfernt war, dass der Tod ihn ereilte als Rache für die verabscheuungswürdigen Taten, die er einundzwanzig Jahre zuvor begangen hatte. Und mit einer einzigen Bewegung fuhr das Schwert durch die Luft, brach sich das Licht an der geschliffenen Klinge, die mit chirurgischer Präzision Tanakas Kopf vom Hals trennte.
Jon Lei zog zu seiner Tante in deren kleine Wohnung in Colorado, besuchte die Colorado State University und ging anschließend im Alter von sechsundzwanzig Jahren zur Marine.
Obwohl er Amerikaner war, erkannte er seine wahre Herkunft an. Durch die Erziehung seines Großvaters war er in der Lage, wie ein Mann aus dem Osten zu denken, obwohl er aus dem Westen war, eine Dichotomie, die es ihm ermöglichte, sich in beiden Welten zu bewegen. Er beherrschte die chinesische und die japanische Sprache und hatte alles über die Kultur und über die Kampfkunst der beiden Länder gelernt, die Feinde gewesen waren, Feinde, die ihn gezeugt hatten.
Seine Sprachkenntnisse und seine Denkweise waren bei der Navy sofort genutzt worden. Er war drei Jahre Lieutenant bei den SEALs und wurde anschließend als Asien-Verbindung in Japan stationiert. Sechs Monate später quittierte er dort den Dienst und ging zur Tridiem Group, weil die Verdienstmöglichkeiten und die Herausforderung einfach zu verlockend waren, als dass er sich das hätte entgehen lassen wollen. Er war immer noch Militär, immer noch loyal gegenüber den USA, nur eben zu einem Sold, der seinen Fähigkeiten entsprach.
Er hat sich selbst den bescheidensten Luxus versagt, mit dem er groß geworden war: ein schönes Zuhause, ein schönes Auto und dass es an nichts fehlte. Dass er allein in einer Einzimmerwohnung in Japan lebte, hatte ihn geprägt und ihm beigebracht, zu unterscheiden zwischen dem, was man wollte, und dem, was man brauchte. Und dass er während seiner Zeit auf dem College und beim Militär so weitergelebt hatte, hatte ihm gezeigt, was wirklich wichtig war im Leben. Abgesehen davon war es ihm allerdings lieber, Geld in der Tasche zu haben und sich auch einmal etwas zu gönnen im Leben, und so ermöglichte Tridiem es ihm, sich in beiden Welten zu bewegen. Er wurde großzügig bezahlt und konnte trotzdem immer noch die Arbeit tun, die er liebte.
Im Verlauf der vier Jahre, die er jetzt für die Tridiem Group arbeitete, hatte er elf Jobs erledigt und sich damit ein dickes Bankkonto zugelegt. Anders, als es früher bei den Söldnern üblich gewesen war, musste er nie Aufgaben übernehmen, die seinen moralischen Überzeugungen widersprachen. Tridiem erlaubte es ihm, jeden Job, den sie ihm anboten, entweder anzunehmen oder abzulehnen, und noch nie hatte ein Job ihn so gereizt wie dieser hier, der ihm vor ein paar Tagen angeboten worden war. Denn was in der Kassette war, die sie stehlen mussten, und was sie offenbarte, war viel reizvoller als ein Gehaltsscheck oder die Genugtuung, Menschenleben gerettet zu haben. Sein Großvater hatte ihm davon erzählt, als wäre es ein Märchen, eine Legende. Aber für Colonel Lucas und die Regierung der USA war es etwas sehr Reales.
Kapitel 14
Gegenwart, Macao
D ie Welt war lichtdurchflutet. Ein künstlicher Tag, der nie endete. Der Cotai Strip war Asiens Antwort auf Las Vegas, ein Mekka des Glücksspiels, das ein breites Spektrum an Unterhaltung, Einkaufsmöglichkeiten, Annehmlichkeiten und Dekadenz bot. Seit man es in den letzten fünf Jahren erbaut hatte, war es zum Reiseziel von Millionen geworden, und der Geldfluss des Giganten überstieg den seines US-amerikanischen Gegenstücks und machte es damit zur Nummer eins in der Welt. Waren die Ölscheichs früher nach Las Vegas gejettet, so machten sie sich jetzt mit vollen Brieftaschen auf nach Macao und stürmten ins Venetian, mit dem Traum, zu gewinnen.
Der Fahrer bog von der Estrada do Istmo ab in den großen Kreisverkehr und fuhr vor das Eingangsportal, wo Hoteldiener Michael, Jon und Busch mit einem Lächeln begrüßten.
Riesige Türen wurden von nickenden Türstehern geöffnet und aufgehalten, als die drei eine Welt
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