Die Legende der Dunkelheit: Thriller
und jetzt schienen die Schmerzen in sämtliche Gelenke zu ziehen. Als sie am Morgen aufgewacht war, hatte sie gleich zwei Kopfschmerztabletten genommen und vor etwa einer Viertelstunde noch einmal zwei, doch sie halfen nicht … und würden sehr wahrscheinlich auch nicht helfen, bis sie wusste, dass Michael in Sicherheit war.
Jenna hatte sich die Haare gekämmt und sich in ein Kleid von J. Crew geworfen, bemüht, mit KCs Erscheinungsbild mitzuhalten. Im Plauderton unterhielten sie sich über das Leben, über China, das Wetter, die kaiserlichen Palastanlagen und über alle möglichen Belanglosigkeiten. Bis der Nachtisch kam.
»Darf ich Sie etwas fragen?«
»Natürlich«, erwiderte Jenna.
»Woher wissen Sie, dass diese Tunnelanlagen unter der Verbotenen Stadt tatsächlich existieren?«
»Weil …« Jennas Blick bekam einen verschmitzten Ausdruck.
»Sie sind da unten gewesen«, sagte KC mit einem Lächeln, »nicht wahr?«
»Jaaa.« Jenna nickte und lächelte schließlich schuldbewusst. »Ich hatte davon gehört. Niemand wollte es bestätigen. Ich bin von Natur aus neugierig, ich wollte Antworten, Geschichte aufdecken, also habe ich Folgendes getan: Ich habe eine Abhandlung darüber geschrieben, aber ich muss vorsichtig sein, wie ich sie herausbringe. Die meisten Museumsangestellten sind Männer und stehen Frauen sehr ablehnend gegenüber, amerikanischen Frauen ganz besonders.«
»Wie waren die unterirdischen Gänge?«
»Nicht gerade toll. Sie sind überschwemmt, aber wenn man sich erst mal durch das Wasser gearbeitet hat, münden sie in die Tunnel von Peking.« Jenna hielt einen Moment inne. »Faszinierend, nicht wahr?«
Der Kaffee wurde gebracht, und KC lächelte und schwieg, als würde sie sich mit etwas anderem beschäftigen.
»Haben Sie schon einmal einen Fehler gemacht?«, fragte KC schließlich.
»Jeden Tag«, gab Jenna lächelnd zur Antwort.
»Ich meine einen Fehler, mit dem man sein Leben kaputt macht und alles zerstört, was gut daran war.«
»Ich habe mit achtzehn Jahren geheiratet«, erwiderte Jenna. »Meine Highschool-Liebe, verstehen Sie? Den einen, den man sich nicht aus dem Kopf schlagen kann. Tim und ich haben angefangen, in Berkeley zu studieren. Ich hatte als Hauptfächer Chinesisch und Kunstgeschichte. Bei Tim waren es Philosophie und Politwissenschaften. Wir waren voller Wut und Angst, wir hatten auf alles eine Antwort. Der Marsch auf Washington, die Vereinten Nationen – den Kapitalismus niedermachen, das Militär; Mensch, meistens wussten wir gar nicht, gegen was wir protestierten oder für was wir demonstrierten, aber wir hatten beide so eine Wut im Bauch und wollten die Welt verändern, sie verbessern. Eines Nachts saß ich da und lernte und hatte plötzlich eine Eingebung: Unsere Eltern finanzierten uns das Studium, und plötzlich fiel mir auf, dass ich gegen das System protestierte, in dem sie erfolgreich gewesen waren und das ihnen das Geld beschert hatte, mit dem sie mich zur Universität schicken konnten. Ich wetterte gegen die Mittel, die mir die Macht gaben zu protestieren. Verwirrend, nicht wahr?«
KC nickte und lächelte. »Auf ganz verschiedenen Ebenen.«
»Nun, Tim hat nicht verstanden, was plötzlich mit mir los war. Ich erklärte ihm, dass ich erwägen würde, mir mal ein bisschen Abstand zu gönnen, ein Semester hier in Peking zu studieren, um mich mehr mit der Kultur zu befassen, die ich liebte. Er konnte das nicht begreifen; er sagte, ich wäre seine Frau und wie könnte ich ihm so etwas antun und ihn verlassen. Ich erklärte ihm, dass ich ihn nicht verlassen wollte, dass ich ihn liebte, dass es ja nur für ein Semester wäre. Wir hatten einen entsetzlichen Streit darüber, aber ich wusste, dass wir es irgendwie auf die Reihe bekommen würden.
»Zwei Tage später kam er bei einem Autounfall ums Leben; sein Alkoholpegel war knapp unter dem gesetzlichen Limit. Ich habe mir immer Vorwürfe gemacht, dass er getrunken hat, um damit klarzukommen, dass ich ihn für ein halbes Jahr verlassen wollte.«
KC starrte sie an.
»Mit anderen Worten: Ja, ich glaube, ich habe mein Leben zerstört.«
KC sah den Schmerz in Jennas Augen und sagte eine Weile nichts.
»Würden Sie es anders machen, wenn Sie noch einmal zurückkönnten?«, flüsterte KC schließlich. »Würden Sie ihm dann etwas anderes sagen?«
»Ich würde alles tun, um Jim zurückzubekommen.« Tränen schimmerten in Jennas Augen. »Ich liebe meine Arbeit, aber es vergeht kein Tag, an dem ich nicht bedauere, dass
Weitere Kostenlose Bücher