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Die Legende der Dunkelheit: Thriller

Die Legende der Dunkelheit: Thriller

Titel: Die Legende der Dunkelheit: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Doetsch
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sprach Howard an. Sie fragte, ob sie zur Schule gehen dürfe. Daraufhin brüllte er sie an. Wie sie es wagen könne, ihn um so etwas zu bitten, wo sie ihm doch ihre Hilfe versage, weil sie ihm nicht erzählen wolle, was in diesem Buch stand?
    Diese Seite an ihm kannte sie bisher überhaupt nicht. Es war, als sei ein Ungeheuer aus den Tiefen seiner Seele gekrochen und habe Besitz von ihm ergriffen. Der viele Alkohol, den er getrunken hatte, brachte eine dunkle Seite hervor, eine Seite, die brutal und hemmungslos war und die er ihr und der Navy genauso verheimlicht hatte, wie sie ihm ihre Vergangenheit verheimlicht hatte und die Dinge, die in dem chinesischen Text in dem Buch standen, das ihr so große Angst machte.
    Er zeigte sofort Reue und schämte sich für das, was er getan hatte; er flehte sie an, ihm zu verzeihen. Sie sah, wie dieser große Krieger vor ihren Augen in sich zusammenfiel vor Angst, seine Frau zu verlieren.
    Er erhob die Hand nicht mehr gegen sie … einen ganzen Monat lang. Beim zweiten Mal war es noch schlimmer: Er verpasste ihr ein blaues Auge und schwere Blutergüsse auf der Wange. Eine ganze Woche verließ sie das Haus nicht. Sie konnte nirgendwohin, hatte niemanden, den sie um Hilfe hätte bitten oder zu dem sie hätte fliehen können. Sie war Ausländerin im Amerika der Fünfzigerjahre, verheiratet mit einem Kriegshelden. Niemand würde ihr glauben oder ihr überhaupt zuhören, den Anschuldigungen einer chinesischen Frau.
    Und wieder flehte er sie an, ihm zu verzeihen, schwor, nie wieder einen Schluck zu trinken. Er liebe sie und könne ohne sie nicht leben. Er kaufte ihr Geschenke: eine neue Halskette, ein Kleid. Er erklärte sich bereit, ihr die Schule zu finanzieren, wenn sie das immer noch wollte.
    Eines Sonntagnachmittags prügelten sich die beiden Jungen, wie Jungen es so tun, weil sie unterschiedlicher Meinung darüber waren, wer von ihnen beiden am schnellsten rennen konnte. Lily schimpfte sie aus wie so oft, wenn die beiden mit den Fäusten aufeinander losgingen, zumal sie wusste, dass die Jungen binnen Minuten wieder die besten Freunde waren. Doch Howard hatte den Vorfall vom Fenster aus gesehen und raste nach draußen. Er hatte bisher noch nie mitbekommen, dass sie aufeinander einschlugen.
    Obwohl die Sache bereits beigelegt war und Lily das Ganze längst abgehakt hatte, packte er Jacob am Arm, schüttelte ihn und schrie ihn an, richtete seinen Zorn aber nicht gegen Isaac. Lily konnte sehen, dass ihr Sohn Angst hatte und unter dem Klammergriff seines Vaters zitterte und bebte. Und obwohl dieser Moment wieder vorbeiging, begriff sie, gegen wen Howard seine Wut richten würde, falls sie ihn je verließ.
    Einen Monat später brach er ihr den Kiefer.
    Inzwischen waren die Jungen schon über neun Jahre alt. Und sie fürchtete, dass er seine Wut, wenn er getrunken hatte, bald auch an ihnen auslassen würde. Sie hatte immer noch Angst vor der Polizei und fand sich schließlich damit ab, dass es nur einen einzigen Ort gab, an den sie fliehen konnte.
    Sie liebte Howard mehr als ihr Leben, aber sie fürchtete ihn noch mehr. Es war die schwerste Entscheidung ihres Lebens.
    Mitten in der Nacht wurde Jacob von seiner Mutter aus dem Schlaf gerissen. Da er Angst hatte, er würde Schläge bekommen, fing er an zu zittern, aber Lily nahm ihn bei der Hand und brachte ihn aus dem Kinderzimmer. Sie sagte ihm, es sei alles in Ordnung, dass sie nur für eine Weile weggehen müssten. Doch ehe Jacob sich versah, saß er in einem Flugzeug. Seine Mutter beharrte immer noch darauf, dass alles in Ordnung sei, dass sie nur für eine Weile woandershin gehen müssten. Bei Tagesanbruch landeten sie in einer Stadt, die weit, weit weg war, stiegen dort in ein Auto, dann auf ein Boot und kamen schließlich in eine heruntergekommene Stadt. Sie besaßen nur die Kleider, die sie am Leib trugen, und die Kassette aus Metall, die seine Mutter in der Einkaufstasche mitgenommen und die sie während ihrer achtzehnstündigen Reise kein einziges Mal aus der Hand gelegt hatte.
    Sie kamen in das Haus des Bruders seiner Mutter, einem groß gewachsenen Mann mit langen schwarzen Haaren und einer furchterregenden Narbe an einer Seite des Halses. Er hatte einen schwarzen Filzhut auf, und an den Fingern trug er klobige Goldringe. So jemanden hatte Jacob bisher noch nie leibhaftig vor sich gesehen, höchstens in irgendeinem Horrorfilm. Sein Name war Kwon, und Jacob hatte Angst vor ihm, doch Kwon unterhielt sich auf Englisch mit ihm, als

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