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Die Legende der Dunkelheit: Thriller

Die Legende der Dunkelheit: Thriller

Titel: Die Legende der Dunkelheit: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Doetsch
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neben Material über den jeweiligen Zielort fand man in jedem Abschnitt auch begleitende Seekarten. Es war eine Trophäensammlung von seinen Reisen.
    Er nahm eine Geldkassette aus dem untersten Regal und stellte sie auf seinen Schreibtisch, steckte einen Schlüssel in das Schloss und öffnete sie. Dann zog er eine kleine schwarz lackierte Schatulle heraus, etwa so groß wie ein Ziegelstein; auf der einen Seite war ein furchterregender Drache zu sehen, aus dessen Nasenlöchern Rauchwolken stiegen und der gegen einen Tiger mit angriffslustig gefletschten Zähnen kämpfte; die anderen Seiten der Schatulle zeigten mythische Wesen. Lily sah sich die Schatulle ganz genau an. Sie hatte weder Fugen noch Scharniere, und sie war so schwer, dass sie massiv sein musste. Es schien sich bei der Schatulle um einen Talisman aus längst vergangenen Zeiten zu handeln, den Leute im Haus aufbewahrt hatten, um Geister abzuwehren.
    Lily stellte die Schatulle wieder auf den Schreibtisch, während Howard erneut in die Geldkassette griff und einen großen Beutel aus rotem Samt herauszog, der vom Alter ganz speckig und fadenscheinig war. Er nahm ein Buch aus dem Beutel und legte es vor Lily auf den Schreibtisch, und er lächelte, als würde er ihr seine Seele schenken.
    Es war elegant und alt und in Chinesisch geschrieben. Aufgeregt blickte sie darauf, denn sie wusste sofort, worum es sich handelte. Sie hatte davon gehört, als sie noch ein Kind gewesen war, weil es ein Teil von Chinas großartiger Geschichte war, doch in der Erinnerung von Kindern verschwammen die Grenzen zwischen Realität und Märchen. Sie fragte Howard nicht, wie er in den Besitz dieses Buches gelangt war, weil sie viel zu neugierig war, was darinstand.
    Im Verlauf des darauffolgenden Jahres öffneten sie die Kassette immer, wenn die Zeit es ihnen erlaubte, und es war jedes Mal ein feierliches Ritual, wenn sie den Samtbeutel herausnahmen und das Buch vor sich auf den Tisch legten; den Talisman aus schwarz lackiertem Holz stellten sie ebenfalls auf den Tisch, damit er ihnen Glück bringen möge, und dann tauchten sie ein in die Geschichte. Sie saßen dicht beieinander, während Lily den historischen Text übersetzte und Howard dabei half, alles aufzuschreiben, und ihm die Bedeutung der Wörter erklärte. Dann steckte er das Buch jedes Mal wieder in den Beutel, legte es zusammen mit dem Talisman zurück in die Kassette und stellte sie an ihren Platz auf dem Bücherregal.
    Vierzehn Monate später waren sie halb durch, wobei sie wegen der Unterbrechungen durch seine Arbeit und seine Reisen nur langsam vorankamen. Lily liebte diese Zeit mit Howard; sie half ihm, sie hatte eine Aufgabe, und sie waren zusammen. Zum ersten Mal in ihrem Leben fühlte sie sich wie ein ganzer Mensch, und deshalb sehnte sie sich danach und wünschte sich, sie könnte jeden Abend so verbringen. Doch plötzlich wurde alles anders.
    Sie hatte gerade die erste Hälfte eines Abschnitts übersetzt, und Howard saß neben ihr und schrieb die wortwörtliche Übersetzung mit, als sie plötzlich stockte und das Buch hastig zuschlug. Howard erschrak über diese heftige Geste, und als er sie anschaute, konnte er die Furcht in ihren Augen sehen. Ohne ein Wort zu sagen, steckte sie das Buch zurück in den Beutel, nahm den schwarzen Talisman, legte beides zurück in die Kassette und verschloss sie. Mit sanfter Stimme fragte Howard sie, was los sei, aber sie schüttelte nur den Kopf und ging zu Bett.
    Eine Woche später fragte Howard, ob sie mit ihrem Projekt fortfahren könnten, doch Lily sagte einfach nur Nein. Er beschwor sie, ihm den Grund dafür zu nennen, doch sie sagte nur, sie könne nie wieder in diesem Buch lesen.
    In der Folge sprach Howard sie immer wieder einmal auf ihr Projekt an, doch jetzt gab sie ihm überhaupt keine Antwort mehr. Er erklärte ihr, dass er wissen müsse, was in diesem Buch stand, doch sie weigerte sich, jemals wieder darüber zu sprechen.
    Einen Monat später, als die Jungen bereits in ihrem Zimmer waren und schliefen, schlug er sie so heftig ins Gesicht, dass sie zu Boden stürzte. Es geschah nach einem Abendessen mit Offizieren vom Stützpunkt und deren Ehefrauen. Sie hatte in ihrem Haus in San Diego ein traditionelles chinesisches Essen auf den Tisch gestellt, während ihr Mann traditionellen amerikanischen Whisky besorgt hatte. Alle waren guter Dinge gewesen, hatten gescherzt und gelacht. Nachdem die Gäste sich verabschiedet hatten, begann sie, die Küche sauber zu machen, und

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