Die Legende Der Wächter 07: Der Verrat
was sie will, ich werde den Kleinen aufklären!
Mord , war alles, was Gwyndor denken konnte, als er zurückflog, kaltblütiger Mord!
Der erste Schnee fiel. Unter anderen Umständen hätte der Schmied die Nacht genossen. Der Mond erneuerte sich gerade erst wieder. Nur ein schmaler Lichtsaum schimmerte hinter den dahinziehenden, bauchigen Wolken. Dicke, weiche Flocken hoben sich hell vom schwarzblauen Himmel ab. Sonst kam es Gwyndor immer vor, als tanzten die Schneeflocken zu einer unhörbaren Musik. Doch heute Nacht konnte er sich an diesem Schauspiel nicht erfreuen. Er musste den kleinen Nyroc retten! Gwyndor hatte mitbekommen, dass die Reinen einen jungen Flecken-Rußeulerich ins Gefängnis geworfen hatten, angeblich wegen Feigheit in der großen Schlacht mit den Wächtern von Ga’Hoole. Gwyndor hatte sich deswegen keine Gedanken gemacht. Er wusste, dass die Rußeulen bei den Reinen schlecht angesehen waren. Ihnen konnte man leicht die Schuld an der Niederlage zuschieben. Aber sollte der Gefangene womöglich bei der Großen Feier das Opfer darstellen? Sollte Nyroc, der sich solche Mühe gab, sich vorbildlich zu verhalten, ihn umbringen? Würde dann ein vorbildlicher Mörder aus ihm? Vorbildlich im Sinne von grausam und gewissenlos? Wenn Nyroc tatsächlich ein Flammenseher war, dem sich sogar die Glut von Hoole offenbarte, konnten diese Eigenschaften eine verhängnisvolle Kombination ergeben! Gütiger Glaux – der Kleine könnte uns allen sogar noch gefährlicher werden als sein Vater Kludd!
Doch was sollte er, Gwyndor, bloß dagegen unternehmen? Am liebsten wäre er nach Ambala zurückgeflogen und hätte Nebel um Rat gefragt. Doch Nebel gab niemals konkrete Ratschläge.
Der Wind hatte gedreht und blies nun erst von Süden und dann von Südwesten.
„Beim Glaux – was treibt der Wind da?“ Gwyndor wurde ausgebremst. Bei diesem Gegenwind würde er erst kurz vor dem Morgengrauen wieder bei den Reinen eintreffen. Aber er hatte keine Wahl – er musste weiterfliegen. Nyroc durfte auf keinen Fall an der Großen Feier teilnehmen. Musste Gwyndor etwa selbst zum Mörder werden, um das zu verhindern? Glaux sei mir gnädig!
Der Schmied riss sich zusammen und kämpfte gegen den Wind an. Es dämmerte bereits. Bei Tag unterwegs zu sein, war für eine allein fliegende Eule gefährlich. Gwyndor hatte Angst, aber sein Magen trieb ihn an weiterzufliegen – wenn es sein musste, auch im Hellen.
Als er hinter sich Flügelschläge hörte, zeigte sich soeben der Morgenstern am Horizont. Krähen! Sein Magen gefror zu Eis. Ich werde flügelstarr , dachte er und schon stürzte er in die Tiefe. Doch plötzlich begehrte sein Magen zornig auf und Gwyndor konnte die Flügel wieder bewegen. Er drehte sich nach seinen Verfolgern um. Es waren drei Krähen und sie waren schon ganz nah. Aber ich bin ein besserer Flieger als sie! , dachte er, und neue Kraft durchströmte ihn.
Sein schwerer Beutel behinderte ihn beim Fliegen. Sollte er ihn einfach fallen lassen? Nein – er brauchte die speziellen Kohlen, die ihm die Schmiedin von Silberschleier mitgegeben hatte. Da kam ihm eine Idee. Wenn sich die Kriegereulen mit Kampfkrallen und Fackeln verteidigten, konnte er ebenso gut seine Werkzeuge als Waffen benutzen.
Er landete auf dem nächstbesten Felsvorsprung, stellte den Behälter mit den kostbaren Kohlen ab und holte Hammer und Zange aus seinem Beutel. Die drei Krähen waren schon über ihm, als er sich wieder abstieß und geradewegs auf sie zuflog. Im einen Fuß schwenkte er den Hammer, im anderen die Zange, in die er eine glühende Kohle gesteckt hatte. Er erwischte die vorderste Krähe am linken Flügel. Sie krächzte schrill und der beißende Geruch von verbrannten Federn stieg auf. Ihre beiden Artgenossen ließen sich jedoch nicht abschrecken und griffen den Schmied an. Ein Schnabelhieb traf Gwyndor am Schwanz. Er geriet ins Schlingern. Blutstropfen spritzten umher. War das sein Blut? Egal.
Er wirbelte herum und hieb mit beiden Waffen um sich. Die Krähe mit dem verbrannten Flügel war zurückgekehrt und es stand wieder drei gegen einen. Plötzlich erfasste eine jähe Fallbö alle vier Vögel und sog sie in ein windstilles Luftloch. Unter sich sah Gwyndor einen schwarzen Krähenrücken, der wie ein polierter Amboss glänzte. Der Schmied holte mit dem Hammer zu einem mächtigen Schlag aus. Wie ein morscher Ast brach die Krähe mittendurch. Ihre beiden Artgenossen ergriffen kreischend die Flucht.
Gwyndor flog zurück und holte
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