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Die Legende der Wächter 1: Die Entführung

Die Legende der Wächter 1: Die Entführung

Titel: Die Legende der Wächter 1: Die Entführung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Lasky
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Tante Finny war nett, das schon, dafür waren die anderen Erwachsenen gar nicht nett, und der Blödsinn mit den angeblichen Waise n … Was sollte das? Was ging hier eigentlich vor?
    Die Ablah-Generalin Skench hatte verkündet: „Die Wahrheit finde n – die Bestimmung ergründen.“ Sei gehorsam und bescheiden und stell keine Fragen. Die einzige Wahrheit, die Soren soeben begriffen hatte, war eine, die ihm den Magen umdrehte: Sein eigener Bruder hatte ihn aus dem Nest gestoßen. Denk nach, Gylfie, dachte Soren inbrünstig. Lass dir etwas einfallen!

Ein toller Plan

    „Wenn wir wieder marschieren sollen, dann tust du einfach so, als ob, Soren!“
    Eben hatte der unfreundliche Uhuaufseher von seinem Felsvorsprung aus den schrillen Weckruf ausgestoßen. Soren und Gylfie warteten Seite an Seite auf die morgendliche Futterzuteilung.
    „Was meinst du mit ‚als ob‘?“, fragte Soren blinzelnd. Die schreckliche Wahrheit über seinen Bruder und das Heimweh nach seinen Eltern beschäftigten ihn immer noch derart, dass er kaum mitbekam, was Gylfie sagte. Die ganze Zeit musste er an seine Eltern denken. Es war, als schmerzte ihn die Sehnsucht von Stunde zu Stunde mehr, und der Schmerz fühlte sich jedes Mal anders und noch scheußlicher an. Man gewöhnte sich anscheinend nicht daran, keine Eltern mehr zu haben. Die Vorstellung, dass er Mama und Papa nie mehr wiedersehen würde, war kaum auszuhalten. Er konnte die beiden nicht einfach so vergessen. Und das wollte er auch gar nicht. Nie, nie würde er sie vergessen!
    „Pass auf, Soren. Als Erstes kam mir der Gedanke, dass man uns marschieren lässt, weil die hohen Felswände ihren Schatten in das Glaucidium werfen. Der Bogen liegt immer im Schatten, stimmt’s?“
    Soren nickte. „Stimmt.“
    „Wir sollen in Bewegung bleiben, damit keine Gruppe zu lange im Schatten bleibt, wo sie vor dem Mond geschützt ist. Du hast ja bereits vorgeschlagen, dass wir lieber unsere Nummer wiederholen sollen statt pausenlos unseren Namen. Und da hatte ich auf einmal die Lösung: Wir müssen so tun, als ob wir mitmarschierten, dürfen uns aber dabei nicht aus dem Schatten des Bogens herausbewegen. Mir ist eingefallen, was mir mein Vate r – er gehörte zu den besten Navigierern im ganzen Wüstenkönigreich Kunee r – einmal erklärt hat. Der Mond und die Sterne bewegen sich nicht so über den Himmel, wie es von uns aus gesehen den Anschein hat. Manche Sterne zum Beispiel scheinen auf der Stelle zu verweilen, dabei wandern sie in Wirklichkeit riesige Strecken.“
    „Hä?“, machte Soren.
    „Ich weiß, es ist ein bisschen kompliziert, aber mein Papa hat mir erklärt, dass es an der Entfernung liegt. Die Sterne sind so weit weg, dass der täuschende Eindruck entsteht, sie stünden still. Sogar der Mond, hat mein Papa gesagt, ist so weit weg, dass wir nicht erkennen können, wie er auf seiner scheinbar geraden Bahn herumeiert. Wenn etwas so Großes wie der Mond den Betrachter über seine eigentliche Bewegung hinwegtäuschen kann, sollte das etwas so Kleinem wie uns beiden doch erst recht gelingen.“
    Sorens traurige Augen leuchteten hoffnungsvoll auf. Gylfie wurde immer aufgeregter. „Wir machen es wie die Sterne, bloß umgekehrt. Wir bleiben, wo wir sind, und tun so, als ob wir marschierte n – aber wir marschieren auf der Stelle.“
    „Und die Aufseher?“
    „Die sind kein Problem. Die Aufseher halten sich meistens am Rand auf. Was in der Mitte los ist, kriegen sie nicht richtig mit. Gestern Nacht wurde eine Gras-Schleiereule beinahe umgerannt. Da hat auch keiner gesagt: ‚Entschuldigung‘ oder ‚Los, weiter!‘ oder ‚Pass doch auf!‘. Die anderen sind einfach um sie herum marschiert. Ich glaube nicht, dass es jemandem auffällt, wenn wir so tun, als ob wir mitmarschierten, dabei aber immer im Schatten unter dem Bogen bleiben. Verstehst du, was ich meine?“
    „Toller Plan, Gylfie!“ Soren war voller Bewunderung.
    „Heute Nacht probieren wir ihn aus. Ich kann’s kaum erwarten. Aber jetzt brauche ich erst mal was zu fressen.“
    „Das ist meine Portion?“ Soren betrachtete blinzelnd die tote Grille, die ihm eine große rotbraune Eule hinschob. „Äh, ich mein e … Das ist meine Portion!“ Damit hatte er die unerlaubte Frage rasch in eine Feststellung verwandelt und musterte nun das sogenannte Frühstück. Kein Mäusefleisch, kein dicker Wur m – was hätte er für einen Kolibri gegeben! Eine Grill e – das konnte doch nicht wahr sein! Er würde verhungern.
    Die

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