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Die Legende der Wächter 1: Die Entführung

Die Legende der Wächter 1: Die Entführung

Titel: Die Legende der Wächter 1: Die Entführung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Lasky
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jetzt werde ich bestimmt wieder gerupft. Und Gylfie auch. Das überlebt sie nicht!
    „Los, mitkommen, ihr Drückeberger!“
    „Widersprich ihr nicht“, hörte er Gylfie flüstern. „Wir sind zusammen, das ist die Hauptsache.“
    Was nützt uns das?, dachte Soren. Dann werden wir zusammen gerupft und sterben zusamme n – toll!
    Die beiden jungen Eulen mussten in eine Nebenschlucht marschieren. Hier bestanden die Felswände aus stark zerklüftetem, schneeweißem Gestein. Das Mondlicht schien sich an den Vorsprüngen zu brechen und wurde gleißend hell zurückgeworfen.
    „Hier drin bleibt ihr so lange, bis der Mond untergeh t – und ihr einen Mondstich habt. Viel Vergnügen!“ Zur Bekräftigung stieß Spoorn abermals einen so lauten Kreischruf aus, dass die zierliche Elfenkäuzin Gylfie beinahe das Gleichgewicht verlor.
    „Und kommt bloß nicht auf die Idee, den Kopf einzuziehen. Ihr steht unter Beobachtung!“, fügte Skench, die dazugekommen war, noch warnend hinzu. Dann verschwanden die beiden.
    Gylfie hatte sich wieder gefangen und stellte sich breitbeinig hin. „Immerhin haben wir noch alle Federn“, sagte sie.
    „Bist du gaga, Gylfie?“
    „In Notlagen muss man sich auf die Lichtblicke konzentriere n – das sollte übrigens kein Wortspiel sein.“ Die Elfenkäuzin ließ den Blick über die gleißenden Felswände wandern.
    „Wortspiel hin oder her, ich kann weit und breit keinen Lichtblick erkennen. Möchtest du allen Ernstes lieber einen Mondstich kriegen, als gerupft zu werden?“
    „Beides kommt nicht infrage!“ Gylfie klang ungewohnt energisch.
    „Und wie sollen wir uns davor schützen, bitte schön? Klar, du kannst dich in meinen Schatten stelle n – dein Schatten nützt mir allerdings weniger, weil du so ein kümmerlicher Winzling bist.“
    „Jetzt werd nicht unverschämt, Soren! Man macht keine Witze über die geringe Körpergröße anderer, jedenfalls dort, wo ich herkomme. Bei uns gibt es sogar eine Vereinigung kleiner Eulen , die solche geschmacklosen und kränkenden Bemerkungen bekämpft. Die Vereinigung wurde seinerzeit von meiner Großmutter und einem Sperlingskauz gegründet.“ Gylfie war unüberhörbar eingeschnappt. Dass Soren sie einen „kümmerlichen Winzling“ genannt hatte, schien sie viel mehr zu beschäftigen als die Gefahr, einen Mondstich zu bekommen.
    „Ich nehm’s ja schon zurück. Aber ich kapiere immer noch nicht, wie es uns hier drin gelingen soll, uns vor dem Mond zu schützen.“
    „Wir müssen uns eben etwas überlegen.“
    „Wenn man mondwirr ist, kann man nicht mehr vernünftig überlegen, Gylfie. Mit uns beiden ist es aus.“ Soren spürte bereits, wie eine eigenartige Benommenheit von ihm Besitz ergriff. Auch Gylfie blinzelte schon verdächtig.
    Dem erbarmungslosen Mondlicht ausgesetzt, wurden beide Eulenkinder immer benebelter. Soren konnte keinen vernünftigen Gedanken mehr fassen, sein Magen war wie gelähmt. Er betrachtete die weißen Wände ihrer Gefängniszelle. Sie glichen spiegelglatten, rutschigen Eisflächen, und Soren spürte, wie ihm auch sein Verstand entglitt und alles, woran er sich erinnerte. Er wollte die Erinnerungen festhalten, die Krallen hineinschlagen, aber er war so furchtbar müde. Gleich würde er einschlafen, und wenn er wieder aufwachte, würde er nicht mehr derselbe sein. Dann wäre er endgültig Nummer 12-1, und auch Gylfie wäre nicht mehr seine Gylfie, sondern ein für alle Mal Nummer 25-2. Ihm schwanden die Sinne, er glaubte umzukippen wie Tante Finny, als er von Ga’Hoole gesprochen hatt e …
    Da machte es in seinem Kopf auf einmal Klick ! Kaum hatte er „Ga’Hoole“ gedacht, schien sich der Nebel in seinem Hirn zu lichten, sein Magen regte sich wieder. Ga’Hool e … Was bei Tante Finny zur Ohnmacht geführt hatte, schien bei Soren gerade das Gegenteil zu bewirken: Es rüttelte ihn wach. „Gylfie! He, Gylfie!“ Er stupste die Elfenkäuzin mit dem Fuß an. „Kennst du die Geschichten über das alte Ga’Hoole?“
    Gylfie, die sich kaum noch rührte, fuhr zusammen und schien zu erwachen.
    „Ga’Hool e … Doch, das sagt mir etwas. Meine Eltern haben uns oft Geschichten erzählt. ‚Geschichten aus alter Zeit‘ haben sie dazu gesagt.“
    „Bei uns heißen sie Legende n – die Legenden von Ga’Hoole.“ Jedes Mal wenn das Wort fiel, erwachten die Lebensgeister der beiden Eulenkinder ein bisschen mehr.
    „Ich schlage vor, dass wir uns die ‚Geschichten aus alter Zeit‘ erzählen, bis der Mond wieder

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