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Die Legende der Wächter 1: Die Entführung

Die Legende der Wächter 1: Die Entführung

Titel: Die Legende der Wächter 1: Die Entführung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Lasky
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wollten sie außerdem den zweiten Teil ihres Plans in die Tat umsetzen. Einen ersten Versuch hatte Gylfie ja schon in der Großen Klamm unternommen. Sie wollten auf der Stelle marschieren und immer im Schatten des Felsbogens bleiben. Ob das auch hier im Glaucidium klappte?
    Kaum hatten sie damit angefangen, spürten sie, wie die anderen Eulenkinder gegen sie drängten. Mit angehaltenem Atem warteten sie ab, ob jemand die Täuschung entdeckte. Doch der Strom der Eulenkinder teilte sich wie ein Fluss, in dessen Bett ein Felsen aufragt. Sie bekamen nur ein paar Knüffe und Püffe ab. Als ein Schlafaufseher vorbeiflog, erschreckten sie sich fast zu Tode, aber der Wärter würdigte sie keines zweiten Blickes, obwohl sie auf der Stelle marschierten. Er schien es vielmehr auf eine junge Schnee-Eule abgesehen zu haben, die offenbar letztes Mal dabei erwischt worden war, wie sie beim Schlafen den Kopf unter den Flügel gesteckt hatte.
    „Achtung, Aufseher in Abschnitt vie r – regelmäßige Flügelkontrolle bei Nummer 85-2!“

Mondstich

    Die Tage und Nächte im Sankt Äggie hatten einen ungewohnten, anstrengenden Rhythmus. Nachts sollten die Eulenkinder schlafen, tagsüber arbeiten. Der Mond schwand, die Welt verdunkelte sich und schon stand die nächste Erneuerung bevor.
    Doch nicht alles war schrecklich. Sowohl Soren als auch Gylfie bekamen von ihren Betreuern immer wieder Leckerbissen zugesteckt, mit denen sie ihre magere Grillenration aufbessern konnten. Tatsächlich war die Zeit, die sie bei ihren Gruppen verbringen durften, wie eine Oase der Erholung in der kargen Felsenwelt von Sankt Ägolius. Gylfie bekam von ihrem Betreuer Onk hin und wieder einen Brocken Schlangenfleisch und durfte manchmal außer der Reihe ein Nickerchen machen. Tante Finny brachte Soren bei, wie man eine ganze Wühlmaus samt Fell und Knochen verspeist. Mit einer richtigen Erste-Knochen -Feier war das allerdings nicht zu vergleichen. Aber immerhi n – Tante Finny fing Soren eine schöne dicke Wühlmaus. Die Beute hatte gerade die richtige Größe, dass Soren sie in einem Stück herunterschlucken konnte. Auch wenn Fragen unerwünscht waren, konnte Tante Finny Soren doch dabei anleiten. Als er dann sein erstes Gewölle mit Knochen auswürgte, war sie des Lobes voll. Soren wiederum erinnerte sich zugleich wehmütig und neidisch daran, wie überschwänglich sein Vater Kludd bei dessen Erste- Knochen -Feier gelobt hatte.
    Trotz aller Leckerbissen, aller sonstigen Vergünstigungen, allen Lobes von Tante Finny musste Soren immer wieder daran denken, wie Gylfie mit eisiger Stimme gesagt hatte: „Vernichtung. Dass alle Eulenvölker der Welt ins Verderben gestürzt werden.“ Warum nur?, zerbrach sich Soren verzweifelt den Kopf, bis er schließlich begriff, dass das keine Rolle spielte, wenn die Oberen von Sankt Äggie tatsächlich auf Zerstörung aus waren.
    Soren selbst hatte einen noch beunruhigenderen Gedanken. Womöglich sind ja die Eulen hier gar keine richtigen Vögel, sondern böse Geister, die nur so tun, als wären sie Eulen!
    Als Tante Finny nun mit seiner Leibspeise, einem feisten Tausendfüßer, im Schnabel erschien, blickte ihr Soren argwöhnisch in die gelben Augen. Lauerte dort ein böser Geist?
    Bist du wirklich eine Eule, Tante?, hätte er gern gefragt. Bist du eine echte Schnee-Eule aus den Nordlanden, die vom Glaux abstammt, oder bist du ein weißgefiederter, böser Geist?
    Die dritte Nacht des zweiten vollen Scheins brach an. Der volle Schein dauerte endlos. Soren und Gylfie waren hinterher völlig erledigt, trotzdem hatten sie es bis jetzt geschafft, nicht mondwirr zu werden. Gylfies Plan, beim Schlafmarsch nur so zu tun, als ob, erfüllte seinen Zweck.
    Jedenfalls bis zur zweiten Nacht des vollen Scheins.
    „Recht s – link s – recht s – links!“ In den beiden benachbarten Glaucidien klackerten überall die Krallen im Takt. Soren und Gylfie traten unter dem Felsbogen auf der Stelle.
    „He, ihr beiden!“, übertönte da ein barscher Ruf die Marschgeräusche. Der Rufer war nicht Jatt und auch nicht Jutt, es war Leutnant Spoorn höchstpersönlich, Skenchs grimmige Stellvertreterin. „Ihr habt schon die letzte Runde hier unter dem Bogen vertrödelt, ihr nichtsnutzigen, faulen Wildlinge.“ Die Kreischeule Spoorn heftete die gelb funkelnden Augen auf sie und die beiden Eulenkinder schlotterten vor Angst. „Ihr scheut wohl das Mondlicht, was? Aber keine Sorge, davon können wir euch kurieren.“
    Glaux hilf!, dachte Soren,

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