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Die Legende der Wächter 1: Die Entführung

Die Legende der Wächter 1: Die Entführung

Titel: Die Legende der Wächter 1: Die Entführung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Lasky
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blauer Fluss, und es war ganz dicht über mir. Soren, Sankt Ägolius ist das ideale Gefängnis, weil die Schlucht, in der es liegt, so tief ist. Aber an dieser Stelle in der Klamm ist man auf einmal viel weiter oben und dem Himmel näher.“
    „Dem Himmel nähe r …“, wiederholte Soren sehnsüchtig. Früher war auch er dem Himmel nahe gewesen. Früher hatte er sich hoch oben in seiner Baumhöhle in die weichen Flaumfedern seiner Eltern kuscheln können. Früher war er dem wunderschönen Blau ganz nah gewesen. Dicht über ihm hatten sich der strahlende Taghimmel und der schwarze Nachthimmel gewölbt. Kein Wunder, dass ein Eulenkind da auf den Gedanken kam, es könnte schon fliegen, ehe es flügge war. Der Himmel und die Eule n – beides gehörte untrennbar zusammen.
    Gylfie erzählte weiter: „Ich habe mir vorgenommen, mich auf dem Rückweg ins Gewöllorium an der Stelle mit dem Ausblick noch einmal gründlicher umzuschauen. Mir fiel ein, dass ich ja einfach nur so tun könnte, als ob ich mitmarschiere, so wie in unserem Plan, du weißt schon. Sozusagen probehalber. Um zu sehen, ob es jemandem auffällt. Außerdem hatte ich Glück, weil uns keine Aufseher begleiteten.“ Bei diesen Worten leuchteten Gylfies Augen und sie machte eine Kunstpause, damit Soren auch begriff, was sie da sagte, und sich endlich von ihrem Plan überzeugen ließ. „So habe ich es auf dem Rückweg dann auch gemacht. Niemandem schien etwas aufzufallen. Die anderen sind einfach um mich herumgegangen, als wäre ich ein Felsvorsprung. Aber dann ist etwas ganz Sonderbares passiert. Eine Eule ist kurz neben mir stehen geblieben, weil sie gestolpert war. Es war eine junge Schnee-Eule und sie blinzelte mich an. Ich dachte schon: Großer Glaux, jetzt ist alles aus, jemand hat gemerkt, dass ich nicht weitergehe. Darum habe ich rasch zum Himmel hochgezeigt und fröhlich gesagt: ,Guck mal da obe n – Himmel!‘ Die Schnee-Eule hat geblinzelt, aber nicht erstaunt, sondern mondwirr. Ihr Blick war so leer wie beim Schlafmarsch, wenn alle ihre Namen wiederholen.“ Gylfie holte tief Luft. Jetzt kam der entscheidende Punkt ihres Berichts. „Da ging mir auf, dass viele Wörter für die Eulen hier genauso wenig Bedeutung haben wie ihre Namen. Kannst du dir eine Eule vorstellen, die nicht weiß, was der Himmel ist, Soren?“
    Soren überlegte. Das war tatsächlich unvorstellbar. Doch da fiel ihm ein, wie ihm Tante Finny erklärt hatte, dass manche Eulenkinder SNF waren, ‚Soll Nicht Fliegen‘. Er hatte eine Gegenfrage. „Hat die Schnee-Eule bloß das Wort ‚Himmel‘ nicht gekannt oder kennt sie den Himmel selbst nicht?“
    Gylfie blinzelte. Ganz schön schlau, dieser Soren.
    „Unsere Nesthälterin Mr s Plithiver ist eine Blindschlange, ich habe dir ja schon von ihr erzählt. Obwohl sie nicht sehen kann, weiß sie, was der Himmel ist. Sie sagt, bei den Schlangen, blind oder nicht blind, heißt der Himmel ‚der Ferne‘, weil er für sie so weit weg ist. Für eine Schlange ist der Himmel unerreichbar, darum arbeitet Mr s P. ja auch so gern für un s – weil sie dann dem Fernen näher sein kann.“
    „Mag sein, Soren, ich glaube trotzdem, dass die Schnee-Eule in der Klamm vollkommen mondwirr war. Sie kennt weder das Wort, noch hat sie eine Vorstellung vom Himmel.“
    „Wie traurig“, sagte Soren leise.
    „Ja, das ist traurig, aber es erleichtert uns die Flucht. Vielleicht kennen auch die Aufseher den Himmel nicht. Ich habe in der Klamm aber noch eine andere Entdeckung gemacht.“
    „Und die wäre?“
    „Ich habe in eine Abzweigung hineingespäht, und da stand jemand Wache, der mir nur zu bekannt vorkam. Es war Grimbel, der mich entführt hat. Ich habe seither oft über ihn nachgedacht. Weißt du noch, was er kurz vor unserer Ankunft hier gesagt hat? Ob sich der Aufwand lohnt und so weiter. Und erinnerst du dich noch, wie dein Entführer ihn gewarnt hat, dass er sich einen Tadel einfängt, wenn ihn Spoorn so reden hört?“
    „Ja, das weiß ich noch.“ Worauf wollte Gylfie wohl hinaus?
    „Also, ich glaube, dieser Grimbel ist womöglich noch nicht ganz und gar mondwirr. Das könnte vorteilhaft für uns sein.“
    „Moment mal! Erst sagst du, es kann uns nützlich sein, wenn die anderen alle ein für alle Mal mondwirr sind, und jetzt sagst du auf einmal, es wäre gut, wenn jemand wie Grimbel vielleicht noch halbwegs bei Verstand ist. Was denn nun?“
    „Vielleicht macht es Grimbel ja wie wir. Vielleicht tut er auch nur so, als ob. Ich bin mir

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