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Die Legende der Wächter 1: Die Entführung

Die Legende der Wächter 1: Die Entführung

Titel: Die Legende der Wächter 1: Die Entführung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Lasky
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fast sicher, dass er sich nur verstellt.“
    „Wieso?“
    „Weil ich ein Stück in die Abzweigung hineingehuscht bin und gesehen habe, was er dort bewacht.“
    „Das hast du dich getraut?“
    „Ja. Weißt du eigentlich, wie schwierig es ist, etwas aus jemandem herauszukriegen, wenn man keine Fragen stellen darf?“
    „Allerdings!“
    „Ein paarmal wäre mir beinahe eine rausgerutscht und Grimbel hat das, glaube ich, sehr wohl gemerkt.“
    „Und was hast du nun herausgefunden?“
    „Hast du schon mal von Büchern gehört?“
    „Klar doch“, erwiderte Soren gekränkt. „Wir Schleiereulen hatten schon immer mit Büchern zu tun.“ Das pflegten seine Eltern zu sagen, wenn sie die paar Bände, die sie besaßen, hervorholten und ihren Kindern daraus vorlasen. „Früher haben viele Schleiereulen in Kirchen genistet. Meine Eltern besitzen ein Gesangbuch.“
    „Was ist das, ein Gesangbuch? Ertönt Gesang, wenn man es aufschlägt?“
    „Nein, die Lieder sind darin niedergeschrieben, glaube ich.“ Allzu oft hatten Sorens Eltern das Buch nicht aufgeschlagen, aber wenn die Mutter einmal daraus vorgelesen hatte, war es ihm immer vorgekommen, als ob sie eher singen als sprechen würde. „Wie kommst du denn jetzt auf Bücher? Was hast du von Grimbel erfahren?“
    „Dass er eine Schlucht voller Bücher bewacht, die sogenannte ‚Bibliothek‘. Ist dir das Wort schon mal untergekommen?“
    „Nein. Aber wie hast du das alles herausgefunden, ohne eine einzige Frage zu stellen? Denn du hast doch nichts gefragt, oder?“
    „Ich bin doch nicht blöd! Darum bin ich ja darauf gekommen, dass sich Grimbel womöglich nur verstellt. Er schien meine Fragen vorauszuahnen. Die Bibliothek darf außer Skench und Spoorn niemand betreten. Und jetzt will ich unbedingt da rein.“
    „Wozu das denn? Ich dachte, wir wollen hier raus!“
    „Ich muss wissen, was es mit den Tupfen auf sich hat.“
    „Tupfen? Was für Tupfen?“
    „Na, die Dinger, um die es in den Liedern hier immer geh t – ‚die heiß begehrten Tupfen‘, die nur Zupfer erster Klasse aus den Gewöllen holen dürfen.“
    „Bist du gaga, Gylfie? Willst du etwa noch so lange hierbleiben, bis du zur Zupferin erster Klasse befördert wirst?“
    „Soren, im Sankt Äggie werden nicht nur Eulenkinder mondwirr gemacht, hier ist noch etwas ganz anderes im Gange, das spüre ich. Etwas ganz, ganz Schlimmes. Etwas, was alle Eulenvölker auf der ganzen Welt ins Verderben stürzen kann.“ Gylfie machte eine Pause. „Es geht um Leben und Tod.“ Diese letzten Worte hingen wie eine Drohung in der Luft und Gylfie blickte nur starr geradeaus.
    „Die anderen Eulen hier sind wandelnde Tote, da hast du schon Recht. Jedenfalls wäre ich lieber tot, als so zu werden wie 47-2. Aber was hat das mit den Eulenvölkern der Welt zu tun?“
    „Ihnen droht die Vernichtung.“ Gylfies Stimme war kalt wie Eis. „Soren, ich will genauso schnell hier abhauen wie du und Grimbel kann uns bei der Flucht vielleicht behilflich sein. Trotzdem müssen wir auf der Hut sein. Die Bücher in dieser Bibliothek bergen die Antworten auf viele Fragen. Diese Antworten könnten nicht nur uns bei der Flucht nützen, sie könnten auch anderen Eulen eine Hilfe sei n – anderen Eulen in deiner Heimat, dem Königreich Tyto, und in meiner Heimat, dem Wüstenkönigreich Kuneer. Du willst doch nicht, dass es noch mehr Eulen ergeht wie uns, oder?“
    Auf einmal sah Soren Eglantine vor sich, seine geliebte kleine Schwester. Die Vorstellung, dass auch sie entführt und mondwirr gemacht werden könnte, war ihm unerträglich. Und es gab unzählige Eglantines auf der Welt! Konnte er es verantworten, dass sie mit leerem Blick und leiernder Stimme in einer unwirtlichen Felsenwelt hausen mussten und niemals Fliegen lernen durften? Ihn schauderte. Nein, es ging wahrhaftig nicht nur darum, aus Sankt Äggie zu entkommen. Die Aufgabe, die vor ihnen lag, war weit größer und bedeutungsvoller!
    Ein misstönender Schrei schreckte sie auf. Der Mond war aufgegangen, das Signal zum ersten Schlafmarsch ertönte. Rings um Soren und Gylfie setzten sich Tausende von Eulen in Bewegung. Abermals war das Gebrabbel zu hören, als jede Eule ihren alten Namen unzählige Male wiederholte. Soren und Gylfie wechselten einen Blick, dann öffneten und schlossen auch sie die Schnäbel und wiederholten ihre Nummern in einem Tonfall, der dem Klang eines Namens einigermaßen ähnlich wa r – und ihren richtigen Namen möglichst unähnlich. Heute Nacht

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