Die Legende der Wächter 5: Die Bewährung
gute Neuigkeiten für euch!“, verkündete Mr s P., als sich die Eulen über das Tagmahl hermachten, das an diesem Morgen aus einer Schüssel lila Milchbeerpudding mit einem Insekt darin bestand, einer weiteren typischen Sommermahlzeit.
„Nämlich?“, fragte Soren.
„Die Krankenpflegerin hat erlaubt, dass Eglantine wieder in ihrer eigenen Höhle schläft.“
„Du bist ja auch heute Nacht ausgeflogen, Eglantine“, meinte Gylfie daraufhin, „das heißt, dass es dir schon viel besser geht.“
„Stimmt.“
„Toll!“ Primel freute sich. Sie kam zwar inzwischen besser mit Ginger zurecht, aber Eglantine hatte ihr schrecklich gefehlt.
„Du musst aber weiterhin deine Arznei trinken, Eglantine“, fuhr Mr s Plithiver fort.
„Mach ich. Versprochen.“
„In meinem Pudding ist eine Libelle!“, jubelte Primel.
Daraufhin pickten auch die anderen Eulen neugierig in ihren Schüsseln herum.
Eglantine entdeckte einen Tausendfüßer in ihrer Portion. Tausendfüßer waren ihre Leibspeise. Das konnte kein Zufall sei n – nein, das war der Beweis, dass ihre Träume auf Tatsachen beruhten! Wie oft hatte Mama ihr diese Leckerei von der Jagd mitgebracht, und Soren hatte dann das Tausendfüßer-Lied gesunge n … Eglantine schaute zu ihrem Bruder hinüber.
„Ich soll doch jetzt wohl nicht das Tausendfüßer-Lied singen, oder?“, flüsterte Soren.
Eglantine erwiderte kichernd: „Nein, nein“, aber sie hätte am liebsten laut ausgesprochen, was sie dachte: Ich weiß auch ohne das Lied, dass Mama mit einem ganzen Berg Tausendfüßer auf mich wartet!
Es dauerte nicht mehr lange bis zur Nimsi-Nach t – so hieß die kürzeste Nacht des Jahres, auf die sich alle Eulen freuten. Danach wurden die Nächte endlich wieder länge r – erst ein paar Minuten und gegen Ende des Sommers mehrere Stunden. Bis dahin wollte Eglantine noch warten, denn bis zu den Schnabelbergen war es ein weiter Flug.
Doch die Eulen blieben auch schon vor Nimsi länger auf. Sie wurden tagsüber nicht richtig müde, weil die Nachtflüge so kurz waren.
„Kommt, wir gehen in die Bibliothek und sehen uns das Schaubild an, das ich bei Ellie eingetauscht habe“, forderte Otulissa ihre Freunde auf.
Die Fleckenkäuzin breitete das zusammengerollte Blatt auf einem Tisch aus. Eine detaillierte Darstellung des Eulenhirns war einem Schema des Muskelmagens gegenübergestellt, aber Otulissa seufzte bedauernd: „Das ist ja alles schön und gut, aber das Buch über Tupfitis wäre wesentlich hilfreicher, um diese Krankheit zu verstehen.“
„Du hast doch noch das Blatt daraus, das wir gefunden haben“, erinnerte Gylfie sie.
„Scho n – aber das war zerrissen und so gut wie unleserlich.“ Otulissa betrachtete das Schaubild. „Quadrant!“, sagte sie plötzlich. „Sowohl auf dem Gehirn als auch auf dem Magen ist der Begriff ‚Quadrant‘ eingezeichnet, seht ihr das?“ Die Fleckenkäuzin war jetzt ganz aufgeregt. „Und ‚Quadrant‘ war das einzige Wort, das ich auf dem Papierfetzen noch entziffern konnte. Bin gleich wieder da!“ Otulissa flatterte davon und kam im Nu mit dem Papierstück im Schnabel wieder zurück. Noch einmal beugte sie sich mit zusammengekniffenen Augen darüber. „Ich kann eine ‚2‘ erkenne n … ach so! Der Magen und das Gehirn sind in jeweils vier Quadranten unterteilt.“
„Wie der Nachthimmel in Navigationskunde“, sagte Gylfie. „Das hat uns noch Strix Struma beigebracht.“
Otulissa nickte. „Ezylryb hat sich damals verirrt, weil die Tupfenbeutel seinen Orientierungssinn beeinträchtigt hatten. Er konnte nicht mehr spüren, wo die Magnetpole der Erde liegen, un d …“
Eine heisere Stimme fiel ihr ins Wort: „Gut erkannt, Otulissa!“ Ezylryb trat zu ihnen. „Ah a – eine Temperamentenkarte.“
„Ich sehe nur einen Magen und ein Gehirn“, sagte Morgengrau verständnislos.
„ In Tupfitis und andere Störungen des Muskelmagens werden die Temperamente erklärt, übrigens auch im Zusammenhang mit Zerspringe n – schade, dass das Buch weg ist.“
Zerspringe n – davon hat uns Otulissa doch erzählt, ging es Soren durch den Kopf.
Er überwand sich und fragte: „Ist das die Krankheit, an der Wamme leidet?“
Der alte Kreischeulerich schüttelte seufzend den Kopf. „Wamme ist nicht zersprungen. Sie ist eine törichte alte Eule, die von den Reinen verführt wurde und danach nicht mehr zwischen Richtig und Falsch unterscheiden konnte. Sie dachte allen Ernstes, dass sich die Reinen besser um den Baum
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