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Die Legende der Wächter 5: Die Bewährung

Die Legende der Wächter 5: Die Bewährung

Titel: Die Legende der Wächter 5: Die Bewährung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Lasky
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natürlich, Herzchen.“
    Die schlafende Eglantine fuhr zusammen. Herzchen? So hatte ihre Mutter sie nie genannt.
    „Wer bist du?“
    „Was ist das denn für eine Frage! Übrigens kannst du gleich nach Nimsi losfliegen, Herzchen, du brauchst nicht noch länger zu warten. Du kannst dir den Flug ruhig zutrauen.“
    Abermals fuhr Eglantine zusammen und öffnete blinzelnd die Augen. Violettes Dämmerlicht fiel in die Höhle. Primels Lager war schon leer, aber Ginger schlief noch. Noch nie war der Traum so lebensecht gewesen! Und Mama hatte gesagt, sie könne schon bald losfliegen! Eglantine war schrecklich aufgereg t – sie musste sich jemandem anvertrauen. Ginger regte sich verschlafen. Würde die Freundin sie für gaga erklären? Als Ginger endlich die Augen aufschlug, hüpfte Eglantine zu ihr hinüber.
    „Ich muss dir was erzählen, Ginger!“ Das andere Schleiereulenmädchen war sofort hellwach. „Aber versprich mir erst, dass du mich nicht für gaga hältst.“
    „Wie kommst du denn darauf? Du bist eine der vernünftigsten Eulen, die ich kenne.“
    „Und du musst mir bei deinem Magen schwören, dass du es für dich behältst.“
    Ginger tippte sich mit dem Schnabel auf das Bauchgefieder. „Bei meinem Magen. Und jetzt erzähl!“
    Eglantine holte tief Luft. „Du weißt doch, dass ich oft träume.“
    Ginger nickte.
    „Ich glaube, dass meine Träume eigentlich Wirklichkeit sind. Dass sie mir etwas sagen wollen.“
    „Und zwar was?“, fragte Ginger leise.
    „Dass meine Mama noch am Leben ist und mein Papa auch. Und dass die beiden in den Schnabelbergen auf mich warten.“
    „Warum soll das nicht so sein, Eglantine? Immerhin hat dein Bruder Soren das Sterngesicht. Da wundert es mich nicht, dass du auch Wahrträume hast.“
    „Daran hatte ich noch gar nicht gedacht! Bestimmt liegt diese Gabe in der Familie. Ich bin ja so froh, dass ich mit dir gesprochen habe, Ginger! Und weißt du was?“
    „Was denn?“
    „Mama will, dass ich zu ihr komme. Weil es so ein weiter Flug ist, wollte ich warten, bis die Nächte länger sind, aber meine Mutter traut es mir schon früher zu.“
    „Wie schön! Sie muss es ja wisse n – schließlich ist sie deine Mutter.“
    Ginger sagt immer das Richtige , dachte Eglantine. Sie ist die beste Höhlengenossin der Welt.

Mama, ich komme!

    Nimsi war vorbei. Jeden Tag schwand das Licht ein bisschen früher, die Nächte wurden länger und die Stimmung im Baum wurde immer besser, denn erst bei Dunkelheit sind Eulen in ihrem wahren Element. Tagsüber, wenn die Bewohner des Baums schliefen, setzte ihnen die drückende Hitze zu und die Zeit kroch träge dahin wie eine Raupe, doch dann brach die Abendkühle an und der Himmel wurde erst zartviolett, dann leuchtend rot und zu guter Letzt pechschwarz. Eglantine konnte es abends kaum abwarten auszufliegen, und sie nahm voller Eifer an den Lehrstunden tei l – sowohl an den Übungsflügen ihrer Rettungsbrigade unter Anleitung der attraktiven Höhlenkäuzin Sylvanaryb als auch am Navigationskundeunterricht, den Strix Strumas Nachfolger abhielt, ein Streifenkauz namens Woody.
    Soren freute sich sehr, dass es seiner Schwester wieder so gut ging und dass sie endlich den Sommerdurchfluss losgeworden war beziehungsweise ihre rätselhafte Schlafkrankheit. Alle freuten sich darübe r – nur Primel schien nicht überzeugt, dass Eglantine wieder ganz gesund war. Das Schleiereulenmädchen träumte immer noch unruhig, und wenn Primel davon aufwachte, sah sie oft Ginger an Eglantines Lager stehen. Aber Ginger und Eglantine schlossen Primel nicht mehr aus. Sie unternahmen jetzt oft etwas zu dritt.
    Trotzdem spürte Primel, dass Eglantine und Ginger eine ganz besondere Beziehung hatte n – dass sie ein Geheimnis teilten. Mit jemandem ein Geheimnis zu teilen, kann etwas Gutes sein, aber auch etwas Schlechtes. Manchmal stärkt es einen, manchmal ist es aber auch kräfteraubend. Primel hatte den Eindruck, dass auf Eglantine beides zutraf. Die körperliche Kraft der Freundin nahm von Nacht zu Nacht zu, aber etwas anderes, eine innerliche Kraft vielleicht, wurde immer schwächer.
    Etwa eine Woche nach Nimsi steckten Eglantine und Ginger besonders auffällig die Köpfe zusammen. Sie tuschelten zwar nicht mehr im Speisesaal miteinander, aber Primel sah sie oft aneinandergeschmiegt am Fuß des Baums sitzen. Wenn Primel dann dazukam, unterbrachen die beiden ihre Unterhaltung und begrüßten die Sperlingskäuzin geradezu übertrieben freudig. Auch bei den

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