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Die Legende der Wächter 5: Die Bewährung

Die Legende der Wächter 5: Die Bewährung

Titel: Die Legende der Wächter 5: Die Bewährung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Lasky
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ihrem Bruder über die Hitze beschwert hatte. Soren hatte sie getröstet, dass bald ein erfrischender Nordwind eintreffen würde. Aber wenn sie sofort losflogen, konnten sie hinterher behaupten, dass sie nichts von dem Nordwind mitbekommen hätten. Eglantine freute sich so auf das Wiedersehen mit ihrer Mutter, dass ihr Magen vor Aufregung rumorte. Schluss mit dem Warten! Ich fliege zu Mama und Papa!
    Als die beiden Schleiereulenmädchen über das Hoolemeer in Richtung der Schnabelberge flogen, ging der Mond auf und schickte ihnen seinen silbernen Schein voraus. Eglantine kam es vor, als wäre sie einer endlosen Gefangenschaft entronnen, als wäre sie lange Zeit lebendig begraben gewesen. Wenn man trauerte, war das Leben eine leere, kahle Höhle. Doch jetzt wurde alles anders! Ihr Leben hatte endlich wieder einen Sinn. Sie war wieder das Kind ihrer Eltern. Sie würde bei Mama und Papa in der gemütlichen Höhle sitzen und sich die alten Legenden vom Großen Ga’Hoole-Baum erzählen lassen, denn für ihre Eltern war der Baum nur eine Legende. Eglantine wusste es zwar besser, aber verglichen mit der elterlichen Höhle, bedeutete der Baum ihr nichts.
    Sie summte ein Lied vor sich hin, das ihre Mutter oft gesungen hatte. Wie ging doch gleich der Text? Mama hatte das Lied immer geträllert, wenn sie von der Jagd heimgekehrt war. Es war halb Jagdlied, halb Schlaflied. Auf einmal fiel ihr der Text wieder ein und sie sang:
    Ich fliege heim zu meinem Baum
Im tiefen grünen Wald,
Wo meine Kleinen auf mich warte n –
Kinder, ich komme bald!
    Ich bring euch frische Beute mit,
Denn ihr habt mächtig Appetit.
Ihr werdet stark, schön und gesund
Und wie der volle Mond so rund.
    Für unser Nest im hohen Baum
Zupf ich mir aus den Dunenflaum
Und polstere es warm und weic h –
Kinder, ich komme gleich!
    Und naht die Nacht und ihr wacht auf
Fliegen wir hoch in den Himmel hinauf!
    Am Horizont zeichneten sich schon die Gipfel der Schnabelberge ab.
    „Hier entlang!“, rief Eglantine ihrer Freundin zu und deutete mit dem Schnabel auf einen See, dessen glatte Oberfläche im Sternenlicht funkelte. Ein prächtiger Anblick. „Wie ein Spiegel!“, rief Eglantine aus, und tatsächlich erblickte sie sich und Ginger im Wasser.
    „Sieh nur, Eglantine, dort am Ufer steht ein Baum, eine Tanne! Genauso wie in deinem Traum.“
    „Aber diesmal ist es kein Traumbild, Ginge r – WIR TRÄUMEN NICHT!“
    Eglantine ging über der alten Tanne in den Sinkflug und schmetterte:
    Ich fliege heim zu meinem Baum
Im tiefen grünen Wald,
Wo meine Mama auf mich warte t –
Mama, ich komme bald
Ins Nest so warm und weic h –
Mama, ich komme gleich!

Die schönste Mama der Welt

    Eglantine landete auf dem Ast vor der Baumhöhle. Sang dort drinnen etwa jemand dasselbe Lied, das sie gerade gesungen hatte? War das die Stimme ihrer Mutter? Eglantine wagte sich ein paar Trippelschritte vor.
    „Guck mal, Ginger, sie hat die Moosstränge genauso geflochten wie früher in Tyto.“
    „Jetzt geh schon rein!“, drängte die Freundin. „Warum so schüchtern? Es ist doch deine Mutter, bei Glaux.“
    „Und wenn sie mich nicht erkennt? Ich war ja noch ganz klein, als ich entführt wurde.“
    „Eine Mutter erkennt doch ihre Kinder immer und überal l – auch wenn das Küken von damals inzwischen ein Jugendgefieder hat.“
    Mit bebender Zehe schob Eglantine die Moosstränge auseinander. Ihre Mutter wandte ihr den Rücken zu. Es sah aus, als ob sie sich Flaumfedern aus der Brust zupfte und damit ein Nest auspolsterte. Bestimmt bebrütete sie ein Gelege. Ob da überhaupt noch Platz für mich ist? , ging es Eglantine durch den Kopf, doch im selben Augenblick drehte sich das Eulenweibchen um.
    „Wer ist da?“ Eglantine stockte der Atem und ihr Magen verkrampfte sich. Die Eule in der Höhle war kein Geisterschnabel. Es war Mam a – jedenfalls sah sie ihr sehr ähnlic h … Eglantine spürte einen sanften Schubs. Ginger schob sie durch den Vorhang.
    „Eglantine?“ Die Stimme klang wie die von Mama. „Eglantin e – gütiger Glaux, du bist es tatsächlich!“
    Hatte Mama früher auch so ein schneeweißes Gesicht gehabt? Das Gesicht leuchtete so hell, als wäre in der schummrigen Höhle der Mond aufgegangen. Aber quer darüber zog sich eine schmale rosafarbene Narbe, auf der die Federn nicht richtig nachwuchsen. Und überhaup t – hatte Mama je so schön ausgesehen? Eglantine war noch nie so einer wunderschönen Schleiereule begegnet wie dieser. War sie nicht auch ein

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