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Die Legende der Wächter 8: Die Flucht

Die Legende der Wächter 8: Die Flucht

Titel: Die Legende der Wächter 8: Die Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Orgaß
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Rand der Hinterlande. Die Wölfe hielten geradewegs auf den Abgrund zu, den sich Coryn in seiner ersten Nacht in diesem fremden Land als äußersten Rand der Welt vorgestellt hatte. Die Wölfe kamen im tief verschneiten Gelände nur mühsam voran. Coryn flog absichtlich langsam, um den Clan nicht zu überholen. Der arme Hamisch mit seinem Hinkefuß blieb immer wieder weit zurück. Doch die anderen Wölfe waren jetzt freundlicher zu ihm. Wenn sie Beute gemacht hatten, ließen sie ihn sogar oft als Ersten fressen. Anscheinend war es ihnen wichtig, dass der Knochennager sein Ziel erreichte.
    Hamisch blieb immer noch einsilbig, wenn die Sprache auf die Heilige Garde kam. Immerhin wusste Coryn mittlerweile, dass die Gardewölfe sich keine Gefährtin suchen und keine Welpen haben durften. Nichts sollte sie von ihrer Pflicht ablenken, die Glut von Hoole zu bewachen. Dabei war das Leben an den Vulkanen voller Gefahren.
    „Dort herrscht das schlechteste Wetter in den ganzen Hinterlanden und das Jagen ist sehr mühsam.“
    „Wie willst du mit deinem lahmen Bein dann dort zurechtkommen? Du wirst verhungern!“
    „Keine Sorge. Alle Wölfe der Garde haben irgendein Gebrechen, entweder von Geburt an oder aufgrund einer Verletzung. Ich habe ein lahmes Bein, anderen fehlt dafür ein Auge oder eine Pfote. Aber das macht nichts.“
    „Wie meinst du das?“
    „Die Gardewölfe lernen, ihre Behinderung auszugleichen. Wenn einem Wolf ein Auge fehlt, sieht er nach einer Weile mit dem gesunden Auge umso schärfer. Gehör und Geruchssinn der Gardewölfe sind viermal so gut wie bei anderen Wölfen. Gardewölfe, die hinken oder denen eine Pfote fehlt, entwickeln starke Muskeln und können irgendwann schneller laufen als jedes Weibchen. Schneemassen sind für sie kein Hindernis. Du wirst selbst feststellen, dass der Dienst in der Garde ungeahnte Kräfte schenkt.“
    „Wenn die Gardewölfe so groß und stark sind, wieso leben sie bei den Vulkanen dann so gefährlich?“
    „In den anderen Clans reißen sich viele Wölfe um eine Stelle bei den Gardewölfen.“
    „In so einer unwirtlichen Gegend? Warum das denn, beim Glaux?!“
    „Es heißt, die Gardewölfe werden nicht nur körperlich stärker. Auch die Glut von Hoole soll gewisse Kräfte verleihen. Man erzählt sich, der gute König Hoole habe den Gardewölfen versprochen, dass sie nach ihrem Tod nicht für immer in der himmlischen Höhle verweilen müssen, sondern dass sie nach einiger Zeit in einem anderen Lebewesen ihrer Wahl wiedergeboren werden.“
    „Sie können sich jedes Lebewesen aussuchen, das sie wollen?“
    „Jedes.“
    „Glaubst du daran?“
    „Was bleibt mir denn anderes übrig?“, sagte Hamisch leise.
    „Als was willst du mal wiedergeboren werden? Als Vogel? Als Eule? Oder lieber als Fisch?“
    Hamisch lachte. „Nein, danke. Am liebsten als Wolf mit vier gesunden Beinen.“
    Es war eine lange Wanderung. Die Tage wurden kürzer, die Nächte länger. Doch die Wölfe liefen unermüdlich weiter. Eines Nachts sah Coryn von oben, dass sie haltmachten und sich mit gesenkten Köpfen um eine Stelle auf dem Boden scharten. Hamisch löste sich aus der Gruppe und erklomm unbeholfen einen Felsen. Er legte den Kopf in den Nacken und heulte. Er rief Coryn zu sich. Coryn hatte gelernt, die Laute der Wölfe einigermaßen zu deuten.
    Er ging in den Sinkflug und folgte Hamisch. Die anderen Wölfe betrachteten einen Pfotenabdruck im Schnee. Coryn konnte nichts Besonderes daran entdecken. Für ihn war es eine ganz gewöhnliche Wolfsspur.
    „Schau noch mal hin, Kleiner“, sagte der Anführer. „Dieser Abdruck bedeutet Gefahr. Hier – vergleich ihn mal mit meinem eigenen.“ Duncan MacDuncan drückte die Pfote in den Schnee und trat ein Stück zurück. Coryn erkannte zwar, dass die beiden Pfotenabdrücke nicht genau gleich waren. Der eigentliche Unterschied fiel ihm jedoch erst auf, als Duncan ihn darauf hinwies: Die vier Zehenballen des fremden Wolfs standen viel weiter auseinander.
    „Und was bedeutet das?“, fragte Coryn.
    „Dass dieser Wolf krank ist. Er hat die Geiferseuche. Diese Krankheit bekommen nicht nur Wölfe, sondern auch Vögel und andere Tiere. Erst tritt dir Schaum vors Maul, dann verlierst du den Verstand und schließlich stirbst du. Das Gefährliche daran ist, dass der Biss eines Kranken ansteckend ist. Wir müssen von jetzt an sehr vorsichtig sein und alle anderen Wölfe meiden, denen wir begegnen. Du könntest uns helfen, Kleiner. Von oben kannst du weiter

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