Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
Burrich an der während seiner Abwesenheit geleisteten Arbeit herummäkelte, war es lebhaft zugegangen. Doch je näher wir dem inneren Burgbereich kamen, desto größer wurde das Menschengewimmel. Leute drängten sich an uns vorbei, in allen möglichen Geschäften unterwegs: ein Junge, der eine riesige Speckseite auf der Schulter trug; ein Schwarm kichernder Mägde, die Arme voll Binsen und Heidekraut zum Bestreuen der Fußböden; ein verdrossener alter Mann mit einem Korb zappelnder Fische und drei junge Frauen in glöckchenbehangenen Festtagsgewändern, deren Stimmen so heiter tönten wie ihre Schellen.
    Meine Nase verriet mir, daß wir uns der Küche näherten, doch mit jedem Schritt wurde auch das Gedränge dichter, bis wir zu einer Tür gelangten, durch die ein endloser Strom ein und aus ging. Cob blieb stehen, Nosy und ich ebenfalls. Uns lief beiden das Wasser im Mund zusammen. Derweil betrachtete unser ortskundiger Führer die Menschentraube an der Tür und runzelte die Stirn. »Zum Bersten voll. Alles bereitet sich auf das Willkommensfest vor, für Veritas und Edel. Jeder, der etwas vorstellt, ist nach Bocksburg gekommen; die Nachricht von Chivalrics Verzicht auf den Thron hat sich in Windeseile herumgesprochen. Sämtliche Herzöge sind da oder durch einen Abgesandten vertreten. Ich habe gehört, sogar die Chyurda hätten einen Mann geschickt, um sicherzustellen, daß die Verträge gültig bleiben, auch wenn Chivalric nicht mehr am Hofe ist ...«
    Er verstummte mitten im Satz, als wäre ihm plötzlich aufgegangen, daß ich immerhin der Auslöser der jüngsten Ereignisse war, aber vielleicht fand er es auch nur unpassend, zu einem Sechsjährigen und einem Welpen zu sprechen, als hätten sie Verstand. Statt weiterzureden, schaute er sich um und schätzte die Situation neu ein. »Ich gehe hinein und besorge etwas für euch. Mir ist es lieber, wenn ich nur auf mich achtgeben muß. Also bleibt hier und wartet, bis ich wiederkomme.« Er unterstrich den Befehl mit einer energischen Handbewegung. Ich hockte mich hin, den Rücken an eine Mauer gelehnt, und Nosy setzte sich gehorsam neben mich. Voller Bewunderung schaute ich zu, wie Cob sich an der Tür geschmeidig zwischen den Menschen hindurchschlängelte und im Inneren des Hauses verschwand.
    Sobald Cob nicht mehr zu sehen war, nahm das allgemeine Treiben meine Aufmerksamkeit in Anspruch. Bei den meisten Vorübergehenden handelte es sich um Dienstboten und Küchengesinde, darunter mischten sich fahrende Sänger und Kaufleute und Lieferanten. Ich verfolgte ihr Kommen und Gehen mit nur mäßiger Neugier, die Müdigkeit hatte mich abgestumpft. Fast noch mehr, als etwas zu essen, wünschte ich mir einen ruhigen Ort, abseits all dieser Geschäftigkeit. Ich saß auf dem Boden, im Rücken die sonnenwarme Burgmauer, legte die Stirn auf die Knie und döste ein.
    Das Klopfen von Nosys Schwanz auf der harten Erde weckte mich aus dem Halbschlaf. Ich hob den Kopf und sah ein Paar hoher brauner Stiefel vor mir. Mein Blick wanderte an abgewetzten Lederhosen hinauf, über ein Hemd aus grober Wolle zu einem bärtigen Gesicht unter einem pfeffergrauen Haarschopf. Der Mann, der auf mich heruntersah, balancierte ein kleines Faß auf der Schulter.
    »He, Kleiner, bist du nicht der Blendling, von dem alle reden?«
    Ich hatte das Wort oft genug gehört, um zu wissen, daß ich gemeint war, ohne jedoch seine volle Bedeutung zu begreifen. Als ich nickte, leuchtete das Gesicht des Mannes interessiert auf.
    »Seht her«, sagte er laut, nicht mehr zu mir, sondern zu den Vorübergehenden. »Das ist der Blendling. Stocksteif Chivalrics Seitensprung. Seinem Herrn Vater wie aus dem Gesicht geschnitten, was meint ihr? Wer ist deine Mutter, Junge?«
    Um ihnen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen: Die meisten Leute schenkten ihm keine Beachtung und warfen höchstens einen flüchtigen Blick auf den Knaben an der Mauer, aber die Frage des Faßträgers erregte doch so viel Interesse, daß mehr als ein Kopf sich in unsere Richtung wandte, und einige Kaufleute, soeben aus der Küche getreten, kamen näher, um die Antwort zu hören.
    Doch ich konnte keine Antwort geben. Mutter war einfach Mutter gewesen, und was immer ich von ihr gewußt hatte, verblaßte bereits. Deshalb erwiderte ich nichts, sondern blickte stumm zu dem Mann auf.
    »Du willst es nicht sagen? Verrätst du mir dann wenigstens, wie du heißt?« Zu seinem Publikum gewandt, verkündete er: »Ich habe gehört, er hat keinen Namen. Keinen

Weitere Kostenlose Bücher