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Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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gesenkt. Ich verzehrte die mir zugeteilten Portionen und verließ den Tisch fast so hungrig, wie ich mich niedergesetzt hatte.
    Auf halber Treppe fiel mir Fäustel ein. Also machte ich kehrt, um aus der Küche die Knochen und Reste zu holen, die die Köchin für mich aufhob, und auch einen Krug Wasser. Beides kam mir furchtbar schwer vor, als ich zum zweiten Mal die Treppe hinaufstieg. Wie merkwürdig, daß ein Tag untätigen Herumstehens draußen in der Kälte mich ebenso ermüdet hatte wie ein Tag harter Arbeit.
    In meinem Zimmer angekommen, wirkten Fäustels überschwengliche Begrüßung und der gesunde Appetit, mit dem er sich auf das Fleisch stürzte, wie ein heilkräftiger Balsam. Sobald er aufgefressen hatte, kuschelten wir uns zusammen ins Bett. Er wollte spielen und raufen, doch als ich nicht darauf einging, gab er auf. Ich schlief ein.
    Und erwachte mit einem Ruck in der Dunkelheit, erfüllt von der siedendheißen Angst, verschlafen zu haben. Ein Blick zum Himmel verriet mir, daß ich es noch schaffen konnte, rechtzeitig auf dem Dach zu sein, aber nur knapp. Keine Zeit, mich erst zu waschen, zu frühstücken oder hinter Fäustel sauberzumachen, und nur gut, daß Galen Strümpfe und Schuhe verboten hatte, in der Hast wäre ich daran verzweifelt, sie anziehen zu müssen. Ich war zu müde, um mir albern vorzukommen, als ich durch die schlafende Burg rannte und die Turmtreppe hinauf. Im rötlichen Fackelschein sah ich andere vor mir laufen, und als ich oben ins Freie trat, fiel Galens Peitsche auf meinen Rücken.
    Die Schnur biß unerwartet schmerzhaft durch mein dünnes Hemd. Ich schrie auf, vor Schmerz und Überraschung. »Steh aufrecht und trag es wie ein Mann, Bastard«, sagte Galen barsch, und die Peitsche traf mich wieder. Alle anderen hatten bereits wieder in der Reihenfolge vom Tag zuvor Aufstellung genommen. Sie sahen ebenso müde aus wie ich und die meisten auch ebenso bestürzt darüber, wie Galen mich behandelte. Bis zu diesem Tag weiß ich nicht, wieso, aber ich ging schweigend zu meinem Platz und stellte mich hin.
    »Wer zuletzt kommt, gilt als verspätet und hat eine Strafe zu gewärtigen«, teilte Galen uns mit. Eine grausame Regel, wie mir schien, denn nur dadurch konnte ich morgen der Züchtigung entgehen, daß ich früh genug zur Stelle war, um einen anderen dem Sadismus unseres Peinigers auszuliefern.
    Es folgte ein weiterer Tag des Unbehagens und der willkürlichen Mißhandlungen. So sehe ich es heute und wußte es, glaube ich, auch damals schon, im tiefsten Herzen. Doch immer predigte er davon, unseren Wert zu erproben, aus Blei werde er Gold machen. Es war eine Ehre, regungslos in der Kälte zu stehen, bis die bloßen Füße sich wie abgestorben anfühlten. Er stachelte uns zu einem Wettstreit an, nicht allein untereinander, sondern gegen unser schwaches Selbst. »Beweist mir, daß ich euch unterschätze«, sagte er immer und immer wieder. »Ich bitte euch, beweist mir, daß ich euch unterschätze, damit ich dem König wenigstens einen Schüler präsentieren kann, an dem meine Zeit nicht vergeudet war.« Und wie wir uns bemühten! Wenn ich heute zurückdenke, kann ich nur über mich selber den Kopf schütteln. Doch innerhalb eines Tages war es ihm gelungen, uns zu isolieren und in eine andere Wirklichkeit zu versetzen, wo die Regeln der Höflichkeit und des gesunden Menschenverstandes keine Geltung hatten. Wir standen frierend im herbstkalten Wind und verharrten auf Galens Befehl in wechselnden, unbequemen Haltungen, die Augen geschlossen, bekleidet mit kaum mehr als unserem Unterzeug. Er schritt zwischen uns einher, teilte Hiebe aus mit seiner bösartigen kleinen Peitsche und Beleidigungen mit seiner bösartigen kleinen Zunge. Gelegentlich versetzte er einem von uns einen Schubs oder Stoß, was viel mehr schmerzt, wenn man durchgefroren ist bis auf die Knochen.
    Wer zusammenzuckte oder schwankte, wurde als Schwächling beschimpft. Unaufhörlich warf er uns vor, wie unwürdig wir seien, und wiederholte, daß er sich nur auf des Königs Wunsch bereitgefunden hätte, sich mit uns abzumühen. Die Frauen ignorierte er, genau wie am Tag zuvor, und obwohl er viel von früheren Prinzen und Königen erzählte, die ihre Gabe zur Verteidigung des Reichs eingesetzt hatten, erwähnte er kein einziges Mal die Königinnen oder Prinzessinnen, von denen die Geschichte ebenfalls zu berichten wußte. Offenbar hielt er es auch nicht für notwendig, uns zu erklären, was er uns beizubringen versuchte. Es gab

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