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Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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meines Königs Hände lege, eine taugliche Schneide besitzt. Morgen werde ich euch wie der Sämann den Samen über das gesamte Königreich verstreuen. Schnelle Pferde bringen euch zu eurem Bestimmungsort, wo man euch allein läßt. Keiner von euch wird wissen, wo sich die anderen befinden.« Er verstummte, wahrscheinlich um uns die Spannung fühlen zu lassen, die um uns vibrierte. Ich wußte, daß alle anderen eingebunden waren in diese Schwingungen, daß sie ein gemeinsames Gefühl teilten, fast ein gemeinsames Bewußtsein, während sie ihre Instruktionen erhielten. Bestimmt hörten sie viel mehr als die einfachen Worte von Galens Lippen. Ich kam mir vor wie ein Ausländer, der einem Gespräch in einer ihm fremden Sprache lauschte. Mein Versagen stand von vornherein fest.
    »Nach zwei Tagen werdet ihr gerufen. Von mir. Ihr erhaltet Anweisungen, mit wem ihr euch treffen sollt und wo. Jeder von euch erhält die Informationen, die er braucht, um den Rückweg zu finden. Seid ihr gute Schüler gewesen, wird meine Kordiale rechtzeitig hier sein und bereit, am Frühlingsabend vor das Antlitz des Königs zu treten.« Wieder eine wirkungsvolle Pause. »Glaubt nicht, es wäre damit getan, daß ihr den Weg zurück nach Bocksburg findet. Ihr sollt eine Kordiale sein und nicht heimkehren wie Brieftauben. Wie ihr kommt und begleitet von wem, wird mir zeigen, ob ihr Kundige der Gabe geworden sein. Haltet euch bereit, morgen früh aufzubrechen.«
    Dann entließ er uns, einen nach dem anderen, wieder mit einer Berührung und einem Lob für jeden, außer mir. Ich stand vor ihm, so weit geöffnet, wie ich es glaubte, wagen zu dürfen, und trotzdem streifte mich die Berührung der Gabe nur wie ein leichter Windhauch. Er sah auf mich hinunter, ich schaute zu ihm hinauf, und ich bedurfte nicht der Gabe, um seinen grenzenlosen Haß und seine Verachtung zu spüren. Mit einem angewiderten Laut blickte er zur Seite und gab mich frei. Ich wandte mich zum Gehen.
    »Viel besser wäre es gewesen«, sagte er mit seiner hohlen Stimme, »du hättest dich in jener Nacht über die Brüstung gestürzt, Bastard. Viel besser. Burrich dachte, ich hätte dich willkürlich mißhandelt, aber ich bot dir einen Ausweg, den einzigen halbwegs ehrenhaften Ausweg für einen wie dich. Geh weg und stirb, Junge, oder wenigstens geh und kehre nicht wieder. Mit deiner bloßen Existenz besudelst du den Namen deines Vaters. Bei Eda, ich kann mir nicht erklären, wie es zugeht, daß du lebst. Daß ein Mann wie dein Vater so tief sinken konnte, seinen Samen an eine schmutzige Dirne zu verschwenden und etwas wie dich zu zeugen, übersteigt meine Vorstellungskraft.«
    Wie immer, wenn er von Chivalric sprach, bekam seine Stimme einen fanatischen Klang, und seine Augen wurden glasig vor blinder Verehrung. Fast wie in Trance wandte er sich ab und ging zur Treppe. Dort blieb er noch einmal stehen und drehte sich ganz langsam zu mir herum. »Ich muß fragen«, sagte er voller Häme, »bist du sein Kinäde, daß er sich von dir die Kraft aussaugen läßt? Ist das der Grund, weshalb er so eifersüchtig über dich wacht?«
    »Kinäde?« wiederholte ich verständnislos.
    Als er lächelte, wirkte sein fleischloser Kopf wie ein Totenschädel. »Dachtest du, ich hätte es nicht bemerkt?
    Hast du geglaubt, du könntest mit seiner Hilfe diese Prüfung bestehen? O nein, Bastard, o nein. Ich werde das zu verhindern wissen!«
    Er stieg die Treppe hinunter und ließ mich allein auf der Dachterrasse stehen. Ich hatte keine Ahnung, was seine letzten Worte bedeuteten, aber sein Haß strömte durch meine Adern wie Gift. In Gedanken an das letzte Mal, als ich allein hier zurückgeblieben war, blutend, halb besinnungslos, ging ich zur Brüstung und schaute in die Tiefe. An dieser Seite des Bergfrieds wuchs die Mauer lotrecht aus einem Gewirr zerklüfteter Felsen empor – niemand konnte einen solchen Sturz überleben. Nur ein kurzer Augenblick der Überwindung, und ich war frei. Und was immer Burrich oder Chade oder sonst jemand davon halten mochte, konnte mir gleichgültig sein.
    Der Widerhall eines leisen Winselns.
    »Ich komme, Fäustel«, murmelte ich und kehrte der Brüstung den Rücken.

Kapitel 17
Die Prüfung
     
    Das Mannbarkeitsritual findet gewöhnlich statt, sobald ein Knabe in sein vierzehntes Lebensjahr eintritt, zwischen dem ersten und dem letzten Tag seines Geburtstagsmondes. Es ist eine Ehre, die nicht jedem zuteil wird. Ein Adept muß als Pate hervortreten, und dieser eine muß

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