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Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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zugestanden haben würde, aber auch nicht so üppig, wie mein Magen sie einklagte. Burrichs Lehre – ich setzte mich selbst auf leichte Kost, wie ich es bei einem kranken Tier getan hätte.
    Beim Essen lauschte ich den Gesprächen an den Tischen, tauchte in den Alltag des Burglebens ein wie seit Monaten nicht mehr. Ich staunte, was alles meiner Aufmerksamkeit entgangen war, weil ich an nichts anderes mehr gedacht hatte als an die Gabe. Die Braut für Veritas war das hauptsächliche Gesprächsthema. Wie zu erwarten, hörte man die üblichen derben Zoten sowie mitfühlende Kommentare, sein Unglück betreffend, daß ausgerechnet Edel als Brautwerber fungieren sollte. Daß bei der Eheschließung politische Erwägungen im Vordergrund standen, war nie bezweifelt worden; eine Liebesheirat kam für einen königlichen Prinzen nicht in Frage. Deshalb war seinerzeit Chivalrics starrsinniges Werben um Philia ein solcher Skandal gewesen. Sie war die Tochter eines unserer eigenen Barone und ihr Vater von jeher dem Königshaus treu ergeben. Diese Heirat hatte dem Reich weder diplomatische noch handfeste Vorteile gebracht.
    Veritas würde der Staatsräson kein Schnippchen schlagen können. Angesichts der Bedrohung durch die Roten Korsaren mußte diesmal die Brautwahl mit größter Sorgfalt durchgeführt werden. Kein Wunder, daß die Gerüchteküche brodelte. Wer würde es sein? Eine Frau von den Nahen Inseln, nördlich von uns im Weißen Meer? Die Inseln waren kaum mehr als felsige Auswüchse der Gebeine der Erde, die aus dem Wasser ragten, doch Signaltürme auf einigen davon konnten als ausgezeichnetes Frühwarnsystem dienen, wenn Piraten in unsere Gewässer eindrangen. Im Südwesten hinter der Regenwildnis – Niemandsland – lagen die Gewürzküsten. Eine Prinzessin von dort brachte zwar keine militärischen Vorteile, doch einige sprachen sich für die lukrativen Handelsabkommen aus, die man erwarten konnte. Südlich und östlich von uns, weit draußen im Meer, befand sich der große Archipel, wo die Bäume wuchsen, die der Wunschtraum eines jeden Bootsbauers waren. Ließ sich dort eine Königstochter finden, die bereitwillig Sonne, blauen Himmel und Blütenduft gegen eine düstere Festung in einem felsigen, von Eis umschlossenen Land eintauschte? Was würde man dort verlangen als Gegengabe für eine sanfte Insel-Schönheit und die hohen Bäume ihrer Heimat? Pelze, sagten einige, andere meinten, Getreide. Dann waren da noch die Bergkönigreiche und die Pässe zu den Ebenen dahinter. Eine Prinzessin aus solchem Blut brachte als Mitgift Krieger ihres Volkes ein, dazu Handelsbeziehungen zu den Elfenbeinschnitzern und Rentierhirten der Tundra. Ein Paß an der Südgrenze führte zum Oberlauf des mächtigen Regenflusses, der in zahlreichen Windungen die Regenwildnis durchströmte. Jeder Soldat kannte die alten Geschichten von den verlassenen Tempeln voller Schätze an den Ufern jenes Flusses, von den Götterstatuen, die unbeirrt über ihre heiligen Quellen wachten, und von dem Gold, das am Grund der kleineren Seitenarme glitzerte. Also vielleicht eine Bergprinzessin?
    Jede Alternative wurde lebhaft diskutiert, mit sehr viel mehr politischem Scharfblick und Sachverstand, als Galen diesen einfachen Soldaten zugetraut hätte. Ich schämte mich, daran zu denken, wie schnell Galen mich dazu gebracht hatte, sie als unwissende Rabauken zu sehen, als Männer des Schwertes, ohne Hirn. Gerade ich hätte es besser wissen müssen. Nein, ich hatte es besser gewußt, aber weil ich danach hungerte, jemand zu sein, und niemand mein Recht auf den Platz im Kreis der Auserwählten bezweifeln sollte, war ich bereit gewesen, jeden Unsinn zu glauben, den er uns auftischte. Erst jetzt durchschaute ich das Spiel – man hatte mich mit der Aussicht auf Wissen gekauft wie einen anderen Mann mit Geld.
    Ich hatte nicht die beste Meinung von mir selbst, als ich die Treppe zu meinem Zimmer hinaufstieg, und ging mit dem Entschluß zu Bett, mir künftig nichts mehr von Galen einreden zu lassen und mir auch selbst nichts einzureden. Außerdem nahm ich mir fest vor, die Beherrschung der Gabe zu erlernen, mit wieviel Schmerzen oder Schwierigkeiten es auch verbunden sein mochte.
    Am nächsten Morgen stürzte ich mich also verbissen und ehrgeizig wieder in meine Lektionen. Ich prägte mir jedes Wort Galens ein, ich ging bei jeder Übung, ob geistig oder körperlich, bis an die Grenze meiner Leistungsfähigkeit. Doch als die Woche vorüberging und dann ein Monat, fühlte

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