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Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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zauberisches Licht. Das Rauschen der Wellen klang wie das Atmen eines schlafenden Riesen. Es war eine Nacht aus einem Traum, und wie konnte ich überrascht sein, das Phantom eines Roten Schiffes den Mondpfad kreuzen zu sehen, als es gemächlich auf die Hafeneinfahrt zuhielt. Sein Rumpf war lang und schnittig, die Masten ohne Segel, die rote Farbe an Bordwand und Bug glänzte wie frisch vergossenes Blut. In der ausgestorbenen Stadt hinter mir erhob sich keines Wächters Stimme, um die Bürger zu warnen.
    Ich stand da wie gelähmt, eine vom Mondlicht umflossene einsame schwarze Gestalt auf der Kaimauer, und bestaunte fröstelnd die Erscheinung, bis das Knarren von Tauwerk und silbern abperlendes Wasser von einem Ruderblatt das Schiff in das Reich der Wirklichkeit versetzte.
    Ich warf mich zu Boden, dann rutschte ich von der Straße zwischen Geröll und angeschwemmten Unrat am Fuß des Hafendamms. Vor Grauen konnte ich fast nicht atmen, das Blut hämmerte in meinen Schläfen. Ich mußte den Kopf zwischen die Arme legen und die Augen schließen, um mich wieder in die Gewalt zu bekommen. Inzwischen drangen die leisen Geräusche, die sich auf einem Schiff bei allem Bemühen um Lautlosigkeit nicht vermeiden lassen, schwach, aber deutlich über das Wasser zu mir her. Jemand räusperte sich, ein Ruder klapperte in der Dolle, ein schwerer Gegenstand fiel auf das Deck. Ich wartete auf einen Ruf oder Befehl, der mir verriet, daß man mich gesehen hatte, aber nichts geschah. Vorsichtig hob ich den Kopf und spähte zwischen den weißgebleichten Wurzeln eines toten Baumstamms hindurch. Alles war still, nirgends eine Bewegung, bis auf das Schiff, das näher und näher kam. Die Ruder hoben und senkten sich in nahezu lautlosem Gleichtakt.
    Bald konnte ich die Seeleute reden hören. Die Sprache war der unseren ganz ähnlich, doch aus ihrem Mund klang sie so rauh und hart, daß ich kaum etwas verstehen konnte. Ein Mann sprang mit einem Tau über die Bordwand und watete durch den Schlick zum Ufer. Die Stelle, wo er das Tau befestigte, war nicht mehr als zwei Schiffslängen von meinem Versteck entfernt. Zwei andere Männer mit Messern in der Hand sprangen heraus und kletterten auf die Kaimauer hinauf. Oben trennten sie sich und liefen in entgegengesetzter Richtung ein Stück die Straße entlang, um dort Posten zu beziehen. Einer suchte sich ausgerechnet einen Punkt fast genau über mir aus. Ich machte mich ganz klein und klammerte mich in meinen Gedanken an Fäustel, wie ein Kind zum Schutz gegen Alpträume sein Lieblingsspielzeug an sich drückt. Ich mußte zu ihm, deshalb durfte ich nicht entdeckt werden. Das eine machte das andere irgendwie wahrscheinlicher.
    Weitere Männer sprangen hastig über Bord, jede Kleinigkeit an ihnen wirkte vertraut. Ich rätselte, was sie bewegt haben mochte, hier anzulegen, bis ich sah, wie leere Wasserfässer entladen wurden, die man mit hohlem Kollern die Straße entlangrollte. Der Teil von mir, der Chade gehörte, registrierte, wie gut sie sich in Ingot auskannten, immerhin hatten sie fast genau gegenüber dem Brunnen festgemacht. Dies war nicht das erste Mal, daß der Korsar hier seine Wasservorräte erneuerte. »Den Brunnen vergiften, bevor du gehst«, riet Chades Stimme in meinem Kopf. Aber ich besaß weder die Mittel noch den Mut.
    Anscheinend war nach und nach die gesamte Besatzung an Land gegangen, um sich die Beine zu vertreten. Ich belauschte eine Auseinandersetzung zwischen einem Mann und einer Frau. Er wollte die Erlaubnis haben, Feuer zu machen, um Fleisch zu braten. Sie verbot es mit der Begründung, die Entfernung wäre nicht groß genug und ein Feuer weithin sichtbar. Das Frischfleisch stammte vermutlich von ihrem letzten Überfall, der demnach ganz in der Nähe und erst vor kurzem begangen worden sein mußte. Sie machte einen Gegenvorschlag – welchen, verstand ich nicht richtig, aber ich konnte mir denken, was sie meinte, als zwei volle Bierfässer ausgeladen wurden. Jemand brachte einen ganzen Schinken, den er mit dumpfem Klatschen von der Schulter auf eins der aufrechtstehenden Fässer fallen ließ. Er zog ein Messer und begann, dicke Scheiben abzusäbeln, während ein anderer das Faß daneben anschlug. Augenscheinlich richtete man sich auf einen längeren Aufenthalt ein. Wenn sie später doch ein Feuer anzündeten oder wenn es hell wurde, boten Stamm und Wurzelwerk eines angetriebenen Baums keine Deckung mehr. Ich mußte sehen, daß ich wegkam.
    Auf dem Bauch kroch ich durch Nester

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