Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
von Sandflöhen und glitschige Algenhaufen, schlängelte mich zwischen Treibgut und Steinen entlang, schob mich über Sand und Muschelgrus. Ich schwöre, daß jeder Aststumpf mich festhielt und jeder hochkantige Steinblock mir den Weg versperrte. Die Gezeiten hatten gewechselt. Wellen brandeten gegen die Felsen, und der Wind trug die Gischt heran. Im Nu war ich naß bis auf die Haut. Ich bemühte mich, meine Bewegungen so abzustimmen, daß die leisen Geräusche, die ich verursachte, vom Lärm der Brecher übertönt wurden. An den Entenmuscheln, die auf jedem Gegenstand hafteten, zerschnitt ich mir Hände und Knie, Sand füllte die Wunden aus. Der Stock wurde zu einer ungeheuren Bürde, aber ich war nicht bereit, auf meine einzige Waffe zu verzichten. Irgendwann konnte ich die Piraten nicht mehr sehen und auch nicht hören, trotzdem ging ich nicht das Wagnis ein, mich zu erheben, sondern robbte weiter von einer Deckung zur nächsten. Endlich kletterte ich zur Straße hinauf, überquerte sie geduckt, drückte mich im Schatten eines Lagerschuppens an die Wand und hielt Umschau.
    Alles still. Ich wagte mich zwei Schritte auf die Straße hinaus, aber selbst von dort konnte ich weder das Schiff noch die Posten ausmachen. Durfte ich daraus den Schluß ziehen, daß sie mich ebenfalls nicht sehen konnten? Ich holte tief Luft und spürte nach Fäustel, wie manche Leute nach der Börse griffen, um sich zu vergewissern, daß ihr Geld noch vorhanden ist. Er war fern und schwach, sein Bewußtsein ein stiller Teich. »Ich komme«, flüsterte ich zaghaft, um ihn nicht aufzuschrecken, und machte mich wieder auf den Weg.
    Der Wind war unbarmherzig, meine salzwasserdurchtränkte Kleidung klebte und scheuerte, die nassen Schuhe machten jeden Schritt zur Qual. Doch ich dachte nicht einmal daran, aufzugeben. Ich trabte wie ein Wolf, immer auf der Hut, versuchte mit den Augen die Dunkelheit zu durchdringen, und lauschte auf jedes Geräusch. Eben noch war die Straße vor mir schwarz und leer, im nächsten Moment schälten sich Gestalten aus der Finsternis. Zwei vor mir und noch einer hinter mir. Das Rauschen der Wellen hatte ihre Schritte übertönt, und der Mond hinter den jagenden Wolken gewährte mir nur ab und zu einen Blick auf die Angreifer, die sich langsam näherten. Ich suchte Rückendeckung an der Wand eines Lagerhauses, nahm den Stab in beide Hände und wartete ab.
    Merkwürdig, daß sie kein Geschrei erhoben, daß nicht die ganze Mannschaft sich versammelte, um dem Spektakel beizuwohnen. Diese Männer belauerten einer den anderen ebensosehr, wie sie mich belauerten. Sie jagten nicht als Rudel, jeder hoffte, die anderen würden bei dem Versuch, mich zu töten, ins Gras beißen und ihn der Notwendigkeit entheben, teilen zu müssen. Entfremdete, keine Piraten.
    Eine furchtbare Kälte erfüllte mich. Der Lärm eines Handgemenges würde die Piraten auf den Plan bringen, davon war ich überzeugt. Falls es den Entfremdeten nicht glückte, mich umzubringen, besorgten es die Roten Korsaren. Doch wenn alle Wege in den Tod führen, hat es keinen Sinn, sich auch noch zu beeilen, also beschloß ich, die Dinge auf mich zukommen zu lassen. Sie waren zu dritt. Einer hatte ein Messer. Aber ich hatte meinen Stab und verstand damit umzugehen. Sie waren dünn, ausgemergelt und bestimmt nicht weniger hungrig als ich. Sie froren auch wie ich. In einer der Gestalten glaubte ich die Frau vom Abend vorher wiederzuerkennen. Nach ihrem Verhalten zu urteilen, wußten sie von der Anwesenheit der Piraten und fürchteten sie genauso wie ich. Müßig, darüber nachzudenken, wie verzweifelt sie sein mußten, mich dennoch anzugreifen. Im nächsten Atemzug fragte ich mich, ob Entfremdete überhaupt fähig waren, Verzweiflung oder ähnliche Gefühle zu empfinden. Womöglich waren sie zu abgestumpft, um die Gefahr zu erkennen.
    Sämtliches fragwürdige Geheimwissen, das Chade mir eingetrichtert hatte, Hods elegant-brutale Strategien für den Kampf gegen zwei oder mehr Gegner – vom Winde verweht. Denn als die ersten beiden in meine Reichweite kamen, fühlte ich den kleinen Funken Wärme, der Fäustel war, in meinem Bewußtsein verblassen. »Fäustel!« flüsterte ich, eine beschwörende Bitte, mich nicht zu verlassen. Fast glaubte ich, eine Schwanzspitze zucken zu sehen, der letzte Versuch eines kraftlosen Wedelns. Dann zerriß der Faden, der Funke erlosch. Ich war allein.
    Eine aberwitzige Kraft durchströmte mich wie eine schwarze Flut. Ich tat einen Schritt

Weitere Kostenlose Bücher