Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
nach vorn, rammte das Ende des Stocks in das Gesicht eines Mannes, federte zurück und zerschmetterte mit einem wuchtigen Rundschlag den Kiefer der Frau. Als sie stürzte, machte ich ein Ende mit ihr, und es war nichts anderes, als einen gefangenen Haifisch mit dem Knüppel zu erschlagen. Der dritte im Bunde ging rabiat auf mich los, wahrscheinlich glaubte er, den Stock unterlaufen zu haben. Es sollte ihm nichts nützen, daß er recht hatte. Ich ließ den Stock fallen und ging mit bloßen Händen auf ihn los. Er bestand nur aus Haut und Knochen, und er stank. Ich stieß ihn rücklings zu Boden, und die Atemwolke, die er mir ins Gesicht stieß, roch nach Aas. Mit Zähnen und Klauen fiel ich über ihn her, zur Bestie degeneriert wie er. Sie hatten mich daran gehindert, bei Fäustel zu sein, als er starb, und mich scherte nicht, was ich mit ihm anstellte, wenn es ihm nur weh tat. Er wehrte sich. Ich rieb sein Gesicht über die Pflastersteine, stieß ihm den Daumen ins Auge. Er schlug die Zähne in mein Handgelenk und riß mit den Fingernägeln meine Wange blutig. Als er zu guter Letzt aufhörte, sich gegen meinen Würgegriff aufzubäumen, schleifte ich ihn zur Kaimauer und stieß seinen leblosen Körper in die Tiefe.
    Keuchend, mit geballten Fäusten, schaute ich in Richtung der Roten Korsaren und forderte sie stumm heraus, doch zu kommen und ihr Glück zu versuchen, aber die Nacht war still, bis auf die Wellen und den Wind und das leise Röcheln der sterbenden Frau. Entweder hatten die Piraten nichts gehört, oder sie waren zu sehr darauf bedacht, unentdeckt zu bleiben, um irgendwelchen nächtlichen Geräuschen nachzuforschen. In der gleichgültigen Dunkelheit wartete ich auf jemanden, der genügend Interesse aufbrachte, herzukommen und mich zu töten. Nichts regte sich. Eine abgrundtiefe Leere verdrängte die Tollheit, die mich überkommen hatte. So viele Tote in einer Nacht und so bedeutungslos, außer für mich.
    Ich ließ die beiden anderen Getöteten für die Möwen liegen, kehrte ihnen den Rücken und ging meines Wegs. Nichts, ich hatte nichts von ihnen gespürt, als ich sie tötete. Keine Todesangst, keine Wut, nicht einmal Verzweiflung. Dinge waren sie gewesen, unbelebt. Gegenstände. Und als ich meinen langen Rückmarsch nach Bocksburg antrat, fühlte ich mich selbst innerlich wie gestorben. Vielleicht, dachte ich, ist Entfremden eine Seuche, und ich habe mich angesteckt.
    Von dieser Reise ist mir kaum etwas in Erinnerung geblieben. Ich legte die ganze Strecke zu Fuß zurück, frierend, erschöpft, hungernd. Es gab keine weiteren Zusammentreffen mit Entfremdeten mehr, und die wenigen anderen Reisenden, denen ich unterwegs begegnete, zeigten ebensowenig Neigung wie ich, das Wort an einen Fremden zu richten. In meinem Kopf hatte nichts anderes mehr Platz als der Gedanke, nach Bocksburg zurückzukehren. Und zu Burrich. Zwei Tage nach dem Beginn des Frühlingsfestes war ich am Ziel. Die Wachen am Tor wollten mich erst nicht passieren lassen. Ich schaute sie wortlos an.
    »Der Fitz«, stieß einer von ihnen hervor. »Aber du sollst tot sein.«
    »Halt den Mund«, schnauzte der andere. Es war Gage, ein alter Bekannter, und er sagte schnell: »Burrich ist verletzt. Er liegt im Hospital, Junge.«
    Ich nickte und ging vorbei.
    Während all meiner Jahre in Bocksburg war ich nie im Hospital gewesen. Burrich und kein anderer hatte meine Kinderkrankheiten und kleinen Blessuren kuriert. Doch ich kannte den Weg. Wie blind schritt ich durch das Gewimmel der Feiernden und fühlte mich plötzlich, als wäre ich sechs Jahre alt und gerade erst nach Bocksburg gekommen. Hinter Burrich im Sattel sitzend, hatte ich mich den ganzen weiten Weg an seinem Gürtel festgeklammert, und er mit seinem aufgerissenen und verbundenen Bein. Doch nicht einmal hatte er mich geheißen, hinter einem anderen aufzusteigen, oder hatte er es einem anderen überlassen, auf mich zu achten. Zwischen den Leuten mit ihren Schellen und Blumen und süßen Kuchen hindurch bahnte ich mir einen Weg zum inneren Burgbereich. Hinter den Baracken lag ein einzelnes Gebäude mit weißgekalkten Mauern. Niemand war da, und ich ging ungehindert durch das Wartezimmer in den Krankensaal dahinter.
    Der Boden war mit aromatisch duftenden Kräutern und Gräsern bestreut, und die großen Fenster ließen eine Flut von Licht und Frühlingsluft herein, trotzdem vermittelte der Raum mir das Gefühl von Eingesperrtsein und Krankheit. Dies war kein guter Ort für Burrich. Die Betten

Weitere Kostenlose Bücher