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Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Fäustel zu helfen. Und Burrich.
    Ich mußte mich zwingen, ruhig auszuschreiten und nicht zu laufen. Gleichmäßiges Marschieren brachte mich weiter als kopfloses Stürmen durch die Dunkelheit. Die Nacht war klar, der Weg eben. Einmal ging mir durch den Kopf, daß ich wahrscheinlich die letzte Chance vertat, zu beweisen, daß ich ›denken‹ konnte. Alles, was es mich gekostet hatte, Zeit, Mühe, Schmerzen – umsonst. Doch keinesfalls hätte ich dasitzen können und noch einen ganzen Tag warten, daß Galen sich meldete. Um für seine mögliche Berührung offen zu sein, mußte ich Fäustels Flämmchen aus meinem Bewußtsein löschen. Dazu war ich nicht bereit. Wenn ich zu wählen hatte, dann Fäustel. Und Burrich.
    Warum Burrich? fragte ich mich. Wer haßte ihn so sehr, daß er ihm auflauerte? Und ausgerechnet vor seiner Kammer? Sorgfältig, als sollte ich Chade Bericht erstatten, stellte ich die mir bekannten Fakten zusammen. Jemand, der gut genug informiert war, um zu wissen, wo er wohnte, also ging es nicht um einen Wirtshausstreit unten in Burgstadt. Jemand, der ein Messer mitgebracht hatte, also keiner, der ihm nur eine Abreibung verpassen wollte. Das Messer war scharf gewesen, und der Besitzer verstand damit umzugehen. Wieder glaubte ich den heißen Schmerz zu fühlen.
    Soweit die Tatsachen. Vorsichtig begann ich, darauf Vermutungen aufzubauen. Jemand, der Burrichs Gewohnheiten kannte, hegte einen tiefen Groll gegen ihn, ausreichend, um einen Mord zu begehen. Plötzlich wurden meine Schritte langsamer. Warum hatte Fäustel den Mann nicht bemerkt, der da oben wartete? Warum hatte Hexe nicht hinter der Tür gebellt? Sich in ihrem eigenen Revier unbemerkt an Hunden vorbeizustehlen, das wies auf jemanden hin, der Übung darin hatte, herumzuschleichen und zu spionieren.
    Galen.
    Nein. Ich wollte nur, daß er es war. Keine voreiligen Schlüsse. Körperlich war Galen kein Gegner für Burrich, und er wußte es. Nicht einmal bewaffnet mit einem Messer, im Dunkeln, Burrich angetrunken und ahnungslos. Nein. Galen mochte davon träumen, aber er würde es nicht tun. Nicht eigenhändig.
    Würde er einen anderen schicken? Ich dachte darüber nach, mußte die Frage jedoch unbeantwortet lassen. Also weiter. Burrich war kein friedfertiger Mensch und Galen beileibe nicht sein einziger Feind. Sosehr ich alles drehte und wendete, ich hatte einfach nicht genug Material, um zu einem brauchbaren Ergebnis zu kommen.
    Nach einiger Zeit gelangte ich an einen Bach und kniete nieder, um zu trinken, dann ging ich weiter. Der Wald wurde dichter, und der Mond verschwand hinter den Bäumen, die den Weg säumten. Ich marschierte weiter, bis mein Pfad in die Küstenstraße mündete wie ein Rinnsal in einen Fluß. Ich folgte dem im Mondlicht silbern glänzenden Band nach Süden.
    Schritt für Schritt ließ ich die Minuten, Stunden, den Rest der Nacht hinter mir. Als die ersten zaghaften Vorboten der Morgendämmerung Farbe über die Landschaft gossen, fühlte ich mich völlig zerschlagen, aber nicht weniger getrieben. Meine Angst war eine Bürde, die ich nicht abschütteln konnte. Ich klammerte mich an den dünnen Faden Wärme, der mich mit Fäustel verband und mir sagte, daß er noch lebte, und dachte über Burrich nach. Wie schwer mochte er verletzt sein? Fäustel hatte sein Blut gewittert, also war er mindestens einmal von dem Messer getroffen worden. Und der Sturz die Treppe hinunter? Ich bemühte mich, die Sorge zu verdrängen. Mir war nie der Gedanke gekommen, Burrich könnte etwas Ernsthaftes zustoßen. Erst recht nicht hatte ich darüber nachgedacht, was mir das ausmachen würde. Ich hätte nicht beschreiben können, wie ich mich fühlte. Einfach leer, dachte ich. Leer. Und müde.
    Beim Gehen aß ich von meinem Proviant und füllte am nächsten Bachlauf meine Wasserflasche nach. Irgendwann vormittags bewölkte sich der Himmel, und es begann zu nieseln. Später klarte es ebenso plötzlich wieder auf. Ich ging weiter. Eigentlich hatte ich damit gerechnet, daß auf dieser Überlandroute einiger Verkehr herrschte, aber mir begegnete keine Menschenseele. Am späten Nachmittag hatte die Straße mich dicht an den Rand der Klippen geführt und gewährte mir ungehinderten Ausblick über eine kleine Bucht und auf die Ruinen von Ingot. Beklemmend, die friedliche Szenerie. Kein Rauch stieg aus den Schornsteinen der Häuser, im Hafen lag kein Boot. Und mein Weg führte mitten durch den Ort hindurch. Ich fröstelte, aber der pulsierende Faden, der mich

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