Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen
einen Hund. Ich weiß, was ein Hund einem Menschen sein kann, aber man opfert nicht seine ganze Zukunft für einen ...«
»Nicht bloß ein Hund«, unterbrach ich ihn beinahe schroff. »Fäustel. Mein Freund. Und es war nicht nur seinetwegen. Fäustel starb bereits vor einigen Tagen, und ich wußte es. Aber ich kam zurück, weil ich dachte, daß du mich brauchst.«
Er schwieg so lange, daß ich glaubte, er wolle nicht mehr mit mir reden. »Dummes Zeug«, meinte er schließlich. »Ich kann auf mich selbst aufpassen.« Und in barschem Ton: »Wie du sehr gut weißt. Ich habe von jeher auf mich selbst aufgepaßt.«
»Und auf mich«, stimmte ich zu. »Und auf mich hast du immer aufgepaßt.«
»Verdammt viel genützt hat es uns beiden.« Seine Stimme klang dumpf. »Sieh doch, was aus dir geworden ist, und ich habe es nicht verhindert. Jetzt bist du weiter nichts als ... Geh weg. Geh einfach weg.« Schwerfällig drehte er sich zur Seite, und ich fühlte, wie irgend etwas in ihm erstarb.
Ich stand langsam auf. »Am besten mache ich dir eine Spülung aus Helenablättern für dein Auge. Ich bringe sie dir heute nachmittag.«
»Bring mir gar nichts. Laß mich in Frieden. Geh deiner Wege und sei, was immer du sein willst. Ich bin fertig mit dir.« Er redete zur Wand. In seiner Stimme lag kein Erbarmen, für keinen von uns.
An der Tür schaute ich noch einmal zurück. Burrich hatte sich nicht gerührt, aber sogar sein Rücken sah älter aus und schmaler.
Das war meine Rückkehr nach Bocksburg. Lebendig, aber nicht mehr als der einfältige Knabe, der ausgesandt worden war. Man erhob kein Freudengeschrei, weil ich nicht tot war, wie angenommen, ich gab auch niemandem Gelegenheit dazu.
Von Burrichs Krankenlager ging ich stracks hinauf in mein Zimmer, wusch mich und wechselte die Kleider. Ich schlief, aber nicht gut.
Während der letzten Tage des Frühlingsfestes nahm ich meine Mahlzeiten abends ein, allein in der Küche. Ich verfaßte eine Mitteilung an König Listenreich, es gäbe Anlaß zu der Vermutung, daß die Roten Korsaren regelmäßig Ingot anliefen, um ihre Wasservorräte aufzufüllen. Er antwortete nicht, und ich war froh darüber. Ich wollte mit niemandem etwas zu tun haben.
Mit großem Pomp und Zeremoniell präsentierte Galen dem König seine fertige Kordiale. Außer mir war noch einer aus unserer Gruppe nicht zurückgekehrt. Ich schäme mich heute, daß ich mich nicht an seinen Namen erinnern kann und nie herausgefunden habe, was aus ihm wurde. Wie Galen muß ich ihn wohl als unbedeutend abgetan haben.
Galen sprach in jenem Sommer nur noch ein einziges Mal mit mir und dann indirekt. Nicht lange nach dem Fest liefen wir uns im Burghof über den Weg. Edel war bei ihm, sie unterhielten sich. Als sie an mir vorbeikamen, warf er mir über Edels Kopf hinweg einen hämischen Blick zu und meinte: »Mehr Leben als eine Katze.«
Ich blieb stehen und starrte sie an, bis beide gezwungen waren, meine Existenz zur Kenntnis zu nehmen, dann nickte ich Galen zu und lächelte. Weder bei dieser Gelegenheit noch später stellte ich ihn für seinen hinterhältigen Versuch, mich in den Tod zu schicken, zur Rede. Nach diesem einen Zusammentreffen schaute er bei zufälligen Begegnungen einfach durch mich hindurch oder verließ einen Raum, sobald ich ihn betrat.
Mir kam es vor, als hätte ich alles verloren, als ich Fäustel verlor. Oder vielleicht arbeitete ich in meiner Verbitterung selbst darauf hin, das Wenige zu zerstören, was mir geblieben war. Mit Leichenbittermiene wanderte ich durch die Burg und empfand eine selbstquälerische Befriedigung dabei, jeden zu verprellen, der dumm genug war, mich anzusprechen. Der Narr ging mir aus dem Weg. Chades Tür blieb verschlossen. Philia ließ mich dreimal zu sich kommen. Die ersten beiden Male legte ich ein Mindestmaß an Höflichkeit an den Tag. Beim dritten Mal, gelangweilt von ihrem Geplauder über das Beschneiden von Rosen, stand ich einfach auf und ging. Sie schickte nicht wieder nach mir.
Doch schließlich hielt ich es nicht mehr aus, nur mit mir allein. Fäustel hatte eine große Lücke in meinem Leben hinterlassen, und aus den Ställen verbannt zu sein traf mich härter als erwartet. Zufällige Begegnungen mit Burrich waren unangenehm und peinlich, wenn wir beide so taten, als hätten wir den anderen nicht gesehen.
Ich sehnte mich danach, zu Molly zu gehen, ihr zu berichten, was mir zugestoßen war, mir einfach alles von der Seele zu reden. Ganz genau malte ich mir aus, wie
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