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Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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auf mich fiel, wurde er ernst.
    »Wie ein Schaf zur Schlachtbank«, meinte er reuevoll. »Ich hätte wissen müssen, daß dir nicht klar ist, wovon du redest.«
    »Was ist passiert?« brachte ich heraus. Meine Zähne klapperten, abwechselnd überliefen mich Kälte- und Hitzeschauer. Ich zitterte am ganzen Leib und konnte mich nicht dagegen wehren.
    »Du hast mir deine Kraft angeboten. Ich habe sie mir genommen.« Er goß Tee ein und hielt mir den Becher an den Mund. »Es mußte schnell gehen. Habe ich vorhin gesagt, Chivalric wäre ein Grobian gewesen im Gebrauch der Gabe? Was soll ich dann von mir selber sagen?«
    Er hatte seine frühere herzliche Gutmütigkeit wieder. Dies war ein Veritas, den man seit Monaten nicht mehr gesehen hatte. Ich trank mühsam und fühlte, wie die Elfenrinde mir im Hals kratzte. Der Schüttelfrost ließ nach. Veritas nahm achtlos einen großen Schluck.
    »In früheren Zeiten«, erzählte er lebhaft, »bezog ein König neue Kraft aus seiner Kordiale. Ein halbes Dutzend Kundige und alle im Einklang miteinander, fähig, Kraft zu sammeln und zu geben. Darin bestand ihr eigentlicher Zweck. Ihrem König oder ihrem eigenen Lenker Kraft zufließen zu lassen. Ich glaube nicht, daß Galen davon eine Ahnung hat. Seine Kordiale ist das Produkt seines begrenzten Verständnisses der Sache. Sie sind wie Pferde, Ochsen und Esel, alle in ein Joch gespannt. Keine wirkliche Einheit. Ihnen fehlt die Harmonie.«
    »Ihr habt Euch Kraft von mir genommen?«
    »Ja. Glaub mir, Junge, ich hätte es nicht getan, nur daß die Gelegenheit so verlockend günstig war und ich glaubte, du wüßtest, was du mir angeboten hast. Du hast dich selbst als Vasallen des Königs bezeichnet, die alte Formel. Und da wir von einem Blut sind, konnte ich dich erreichen.« Mit einer heftigen Bewegung stellte er den Becher auf das Tablett zurück, Abscheu verlieh seiner Stimme einen kehligen Unterton. »Listenreich. Er zieht die Fäden. Es ist kein Zufall, Junge, daß du es bist, der mir die Mahlzeiten bringt. Er hat dafür gesorgt, daß du für mich verfügbar bist.« Veritas ging erregt auf und ab, dann blieb er vor mir stehen. »Es wird nicht wieder vorkommen.«
    »So schlimm war es nicht«, sagte ich schwach.
    »Nein? Weshalb versuchst du dann nicht, aufzustehen? Oder dich wenigstens hinzusetzen? Du bist nur eine Person, Junge, allein, keine Kordiale. Hätte ich nicht deine Unwissenheit erkannt und mich zurückgezogen, wäre es möglicherweise dein Tod gewesen. Dein Herz hätte einfach aufgehört zu schlagen. Ich werde dir nicht wieder deine Lebenskraft entziehen, für nichts und niemanden. Hier.« Er bückte sich, hob mich mühelos vom Boden auf und setzte mich auf seinen Stuhl. »Ruh dich aus. Und nimm dir zu essen, ich brauche vorläufig weder Speise noch Trank. Wenn du dich besser fühlst, geh für mich zu meinem Vater. Richte ihm aus, ich hätte gesagt, du wärst eine Ablenkung. Ich möchte, daß mir von heute an ein Küchenjunge die Mahlzeiten bringt.«
    »Veritas ...«
    »Nein«, berichtigte er mich. »Sag ›mein Prinz‹. Denn hierin bin ich dein Prinz, und ich dulde keinen Widerspruch. Jetzt iß.«
    Ich ließ den Kopf hängen, gehorchte aber, und die Elfenrinde im Tee belebte mich schneller, als ich erwartet hatte. Bald konnte ich aufstehen, stellte das Geschirr auf das Tablett und ging damit zur Tür. Ich fühlte mich wie am Boden zerstört.
    »FitzChivalric Weitseher.«
    Bei den Worten erstarrte ich. Erst nach einem tiefen Atemzug drehte ich mich langsam herum.
    »Dein Name, Junge. Ich habe ihn selbst in das Militärregister an dem Tag eingetragen, als du mir gebracht wurdest. Noch etwas, wovon ich glaubte, du wüßtest es. Hör auf, von dir selbst als Bastard zu denken, FitzChivalric Weitseher. Und vergiß nicht, heute noch zum König zu gehen.«
    »Auf Wiedersehen«, sagte ich leise, doch er starrte schon wieder auf das Meer hinaus.
    So fand der Hochsommer uns alle: Chade über seinen Schriften, Veritas an seinem Fenster, Edel auf Brautschau für seinen Bruder und mich, der ich im stillen für meinen König mordete. Die Inland- und Küstenprovinzen saßen sich am Verhandlungstisch gegenüber und fauchten sich an wie Katzen über einem gestohlenen Heringskopf. König Listenreich hielt wie eine Spinne jeden Teil des Netzes straff gespannt und lauerte auf das geringste Vibrieren eines Fadens. Die Roten Korsaren attackierten uns wie Rattenfische den Fleischköder – sie rissen kleine Stücke aus dem Leib des Volkes,

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