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Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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– einen völligen körperlichen und seelischen Zusammenbruch. Nicht nur aus moralischen Gründen, sondern auch um ihretwillen hatte Chivalric auf den Thron verzichtet und war mit seiner kränkelnden Gemahlin in ihre warme und freundliche Heimatprovinz zurückgekehrt. Es hieß, daß sie dort ein beschauliches und komfortables Leben führten, daß Philia sich langsam erholte und daß Chivalric, erheblich ruhiger geworden, nach und nach lernte, sein fruchtbares kleines Paradies zu bewirtschaften und zu verwalten. Schlimm war, daß Philia auch Burrich Schuld an der Verfehlung ihres Gatten gab und erklärt hatte, sie könne den Anblick dieses Mannes nicht mehr ertragen. Denn nach den Schicksalsschlägen, die ihn getroffen hatten – sein lahmes Bein und von Chivalric verstoßen zu werden –, war Burrich nicht mehr derselbe. Früher war keine Frau in der Burg achtlos an ihm vorbeigegangen; seinen Blick auf sich zu lenken bedeutete, von nahezu allen Geschlechtsgenossinen beneidet zu werden. Und jetzt? Den alten Burrich, nannte man ihn, und dabei war er ein Mann in den besten Jahren. Als hätte irgendein Gefolgsmann Einfluß auf das Tun seines Herrn. Und doch, hatte sich nicht eigentlich alles zum Guten gewendet? Gab Veritas nicht einen viel besseren König-zur-Rechten ab als Chivalric? Der so unerschütterlich integer gewesen war, daß man sich in seiner Gegenwart schlampig und unzugänglich vorkam; nie gönnte er sich eine Atempause in seinem Streben nach moralischer Vollkommenheit, und obwohl er natürlich viel zu nobel war, um auf diejenigen hinunterzusehen, die mitunter vom geraden Wege abwichen, konnte man sich nie des Gefühls erwehren, daß sein tadelloses Benehmen einen stummen Vorwurf gegen all solche mit weniger festem Willen darstellte. Ja, aber nun war nach so vielen Jahren dieser Bastard aus der Versenkung aufgetaucht, der lebendige Beweis, daß auch Chivalric seine schwachen Stunden gehabt hatte. Veritas hingegen, nun, das war ein Mann unter Männern, ein König so recht nach dem Herzen des Volkes. Ein verwegener Reiter, der mit seinen Männern ins Feld zog, und wenn er gelegentlich betrunken war oder in Liebeshändeln nicht die gebotene Zurückhaltung übte – nun, er machte kein Hehl daraus, getreu seinem Namen. Die einfachen Leute konnten einen Mann wie ihn verstehen und ihm folgen.
    All dem lauschte ich begierig, wenn auch mucksmäuschenstill, während Stoffe in die engere Wahl gezogen wurden und auf den Zuschneidetisch wanderten. Ich begriff nun viel besser, weshalb die Kinder in der Burg nicht mit mir spielen wollten. Falls die Frauen einen Gedanken daran verschwendeten, daß der Gegenstand ihres pikanten Geplauders sich mitten unter ihnen befand und sie möglicherweise meine Gefühle verletzten, war ihnen kein schlechtes Gewissen anzumerken. Die einzigen Worte, die Mistress Hurtig an mich persönlich richtete, waren, ich solle meinen Hals künftig gründlicher waschen. Dann scheuchte sie mich aus dem Nähzimmer wie ein verirrtes Küken, und ich hatte endlich Gelegenheit, in der Küche das versäumte Frühstück nachzuholen.
    Den Nachmittag verbrachte ich wieder bei Hod und wurde gedrillt, bis ich überzeugt war, daß mein Stab auf geheimnisvolle Weise sein Gewicht verdoppelt hatte. Dann Abendessen und zu Bett, am Morgen aufstehen und zurück zu Burrich und seinen Lektionen. Meine Tage waren mit Lernen ausgefüllt, und jedes bißchen Freizeit wurde aufgezehrt von den Pflichten, die damit einhergingen, sei es Arbeit in der Sattelkammer für Burrich oder Ausfegen und Aufräumen im Zeughaus für Hod. Eines Nachmittags fand ich nicht nur einen oder auch zwei, sondern drei vollständige Anzüge samt Strümpfen auf meinem Bett ausgebreitet. Zwei bestanden aus haltbarem Stoff in dem gewöhnlichen Braun, das die meisten Kinder meines Alters zu tragen schienen, einer jedoch war aus feinem blauen Tuch genäht und hatte auf der Brust einen mit Silberfaden gestickten Bockskopf. Burrich und die anderen Kriegsmänner trugen den springenden Steinbock als Emblem, das Haupt hatte ich nur auf Veritas' und Edels Wams gesehen. Deshalb wunderte ich mich – und auch über den gestickten roten Streifen, der schräg links über das Wappen verlief.
    »Das ist der Bastardfaden«, erklärte mir Burrich unverblümt, als ich ihn danach fragte. »Ein einfaches Mittel, um zu zeigen, daß du von königlichem Blut bist, aber nicht ehelich gezeugt und geboren. Wenn es dir nicht gefällt, kannst du es ändern. Ich bin sicher, der

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