Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen
der geordnete Zug auseinanderbrach.
Die Reiter stiegen ab, und plötzlich waren überall Kelvars Knechte und Stallburschen, die uns zeigten, wo wir unsere Pferde tränken konnten, wo schlafen und – das wichtigste für jeden Kriegsmann – wo uns waschen und Essen fassen. Flink und ich führten Rußflocke und das Pony zu den Ställen, als ich meinen Namen rufen hörte. Sig aus Bocksburg zeigte auf mich und redete mit jemandem in Kelvars Farben.
»Da ist er – das ist der Fitz. He, Fitz! Sitswell hier sagt, du wirst gerufen. Veritas will dich in seinen Gemächern sehen, Leon ist krank. Flink, du versorgst Rußflocke für den Fitz.«
Ich merkte förmlich, wie mir das Essen vor der Nase weggezogen wurde, doch ich holte tief Luft und zeigte Sitswell ein freundliches Gesicht, getreu Burrichs Ermahnung. Leider dürften meine Bemühungen verschwendet gewesen sein, für den griesgrämigen Stallmeister war ich einfach nur ein weiterer halbwüchsiger Bengel, der ihm an einem hektischen Tag zwischen den Beinen herumlief. Er lieferte mich vor Veritas' Tür ab und ließ mich dort stehen, offenbar froh, wieder zu seinen Ställen zurückkehren zu können. Ich klopfte leise, und Veritas' Diener öffnete sofort.
»Ah! Eda sei Dank, du bist es. Komm herein. Der Hund will nicht fressen, und der Prinz ist überzeugt, ihm fehlt etwas Ernstes. Beeil dich, Fitz.«
Der Mann trug Veritas' Wappen, aber ich konnte mich nicht erinnern, ihn schon gesehen zu haben. Manchmal empfand ich es als beunruhigend, wie viele Leute mich kannten, ohne daß ich wußte, wen ich vor mir hatte. Nebenan hörte man Veritas im Wasser plätschern und jemandem Anweisungen geben, welche Kleidung für den Abend herausgelegt werden sollte. Aber nicht um ihn sollte ich mich kümmern, sondern um Leon.
Leon war Veritas' Wolfshund. Ich spürte nach ihm ohne Skrupel, schließlich war Burrich weit weg. Leon hob seinen knochigen Schädel und betrachtete mich mit einem Märtyrerblick. Er lag auf Veritas' verschwitztem Hemd neben dem kalten Kamin. Ihm war zu heiß, er langweilte sich, und falls wir nicht vorhatten, auf die Jagd zu gehen, wollte er nach Hause.
Obwohl ich schon Bescheid wußte, tastete ich über seinen Leib, zog ihm die Lefzen hoch, um die Farbe des Zahnfleisches zu prüfen, und drückte mit der Hand fest auf seinen Bauch. Abschließend kraulte ich ihn hinter den Ohren und sagte dem Diener: »Ihm fehlt nichts weiter, er hat nur keinen Hunger. Am besten, man stellt ihm eine Schüssel Wasser hin und wartet ab. Wenn er fressen will, wird er es uns wissen lassen. Und man sollte das hier wegschaffen, bevor es in der Hitze verdirbt und er tatsächlich krank wird, wenn er später davon frißt.« Ich zeigte auf eine Schüssel mit kleingeschnittener Fleischpastete von einem für Veritas bestimmten Tablett. Nichts davon eignete sich als Futter für einen Hund, aber ich war dermaßen hungrig, daß ich mich am liebsten selbst von dem Brocken bedient hätte. Mein Magen knurrte bei dem Anblick. »Ob man in der Küche einen frischen Rindsknochen für ihn hätte? Im Moment würde er sich über etwas freuen, das mehr Spielzeug als Nahrung ist ...«
»Fitz, bist du das? Herein mit dir, Junge! Was ist mit meinem Leon?«
»Ich hole den Knochen«, versicherte mir der Diener. Ich stand auf und ging zur Tür des angrenzenden Zimmers.
Veritas erhob sich triefend aus dem Bad und nahm einem zweiten Lakaien das bereitgehaltene Handtuch ab. Während er anfing, sich abzutrocknen, wiederholte er: »Was ist mit Leon?«
Das war Veritas' Art. Vor Monaten hatten wir das letzte Mal miteinander gesprochen, doch er nahm sich nicht die Zeit für eine Begrüßung. Chade meinte, das sei einer seiner Fehler, daß er es nicht verstünde, seinen Männern das Gefühl zu vermitteln, für ihn von Bedeutung zu sein. Ich denke, er ging davon aus, wenn mir irgend etwas zugestoßen wäre, würde man ihm davon Mitteilung gemacht haben. Es entsprach seinem unkomplizierten, herzlichen Naturell, anzunehmen, alles müsse in Ordnung sein, sonst hätte ihm jemand Bescheid gesagt.
»Ihm fehlt nichts, Herr. Die Hitze und die Reise haben ihn angestrengt. Eine Nacht lang Ruhe an einem kühlen Platz, und er ist wieder munter, aber ich würde ihn nicht mit Pastete und Süßigkeiten füttern, nicht bei diesem Wetter.«
»Gut.« Veritas bückte sich, um seine Beine abzutrocknen. »Du wirst schon recht haben, Junge. Burrich sagt, du verstehst dich auf Hunde, und ich will deinen Rat nicht in den Wind schlagen. Nur
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