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Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Titel: Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Besorgnis grub sich um seinen Mund.
    Ich schwieg und versuchte das Ausmaß des Verrats zu erfassen. Man hatte mich nach Bocksburg zurückgeschafft. Gegen meinen Willen. Und Burrich hatte es nicht einmal für nötig gehalten, mich zu begleiten.
    »Erlaubt mir, daß ich Euch zu essen bringe«, bat der Narr. »Ihr fühlt Euch immer besser, wenn Ihr gegessen habt.« Er stand auf. »Ich habe bereits vor Stunden etwas am Feuer warmgestellt.«
    Mein Blick folgte ihm müde. Vor dem Kamin hockend, zog er vorsichtig eine zugedeckte Terrine zu sich heran, hob den Deckel, und der Duft von herzhaftem Rindergulasch stieg auf. Er schöpfte eine Kelle voll in eine Eßschale. Seit Monaten hatte ich kein Rindfleisch mehr gegessen. In den Bergen gab es nichts als Wild und Schaf- und Ziegenfleisch. Ich schaute mich im Zimmer um. Die schweren Tapisserien, die geschnitzten Lehnstühle. Die großen Steine der Kamineinfassung, die kostbaren, gewebten Bettvorhänge. Ich kannte das alles. Dies war das Schlafgemach des Königs in Bocksburg. Weshalb lag ich in des Königs eigenem Bett? Ich wollte den Narren danach fragen, doch ein anderer sprach durch meinen Mund. »Ich weiß zu viele Dinge, mein närrischer Freund, und ich kann mich diesem Wissen nicht länger verschließen. Manchmal ist es, als hätte ein anderer Macht über meinen Willen, und zwänge mich wahrzunehmen, was ich nicht wahrnehmen möchte. Meine Dämme sind geborsten. Wie eine Flut strömt alles in mich hinein.« Ich holte tief Atem, doch ich konnte es nicht aufhalten. Erst ein Frösteln, dann ein Gefühl, als stünde ich in rasch ansteigendem kaltem Wasser. »Die Flut«, stieß ich hervor. »Bringt Schiffe. Rote Schiffe…«
    Die Augen des Narren weiteten sich erschreckt. »In dieser Jahreszeit, Majestät? Das kann nicht sein! Nicht im Winter!«
    Meine Kehle war wie zugeschnürt, nur mit Mühe konnte ich weitersprechen. »Der Winter war zu gnädig mit uns, er hat uns seine Stürme vorenthalten und seinen Schutz. Sieh. Sieh doch, draußen auf dem Wasser. Sie kommen. Aus dem Nebel tauchen sie auf.«
    Ich streckte den Arm aus. Der Narr trat zu mir ans Kopfende des Bettes und bückte sich, um in die Richtung zu schauen, in die ich wies, doch ich wußte, er konnte nichts sehen. Dennoch legte er mir guten Willens die Hand auf die schmale Schulter und kniff angestrengt die Augen zusammen, als vermochte sein Wille die Mauern und Meilen zwischen ihm und meiner Vision zu überwinden. Gerne wäre ich so blind gewesen wie er. Unwillkürlich betrachtete ich meine eigene welke Hand, die nach der seinen auf meiner Schulter griff, den königlichen Siegelring an einem knochigen, abgezehrten Finger, die grotesk verdickten Knöchel. Dann bemächtigte sich eine fremde Macht meines widerstrebenden Blicks und lenkte ihn in die Ferne.
    Meine ausgestreckte Hand deutet auf den stillen Hafen. Ich richtete mich höher auf, um mehr zu sehen. Wie ein Flickenteppich lagen die Häuser und Gassen der schlafenden Stadt vor meinem Blick ausgebreitet, dichter Nebel hing in Bodensenken und über der Bucht. Das Wetter wird umschlagen, war mein erster Gedanke. Ein kalter Luftzug ließ mich frösteln. Trotz der Schwärze der Nacht und des Nebels hatte ich keine Schwierigkeit, alles deutlich zu erkennen. Die Gabensicht, sagte ich mir und stutzte. Ich war nicht fähig, von der Gabe Gebrauch zu machen, nicht willentlich, nicht gezielt.
    Doch vor meinen Augen lösten sich zwei Schiffe aus der Nebelwand und liefen in das Hafenbecken. Ich vergaß, mich über meine plötzliche Beherrschung der Gabe zu wundern. Sie waren schlank und schnittig, diese Schiffe, und obwohl im Mondlicht keine Farben zu erkennen waren, wußte ich, sie hatten einen roten Kiel. Rote Korsaren von den Fernen Inseln. Die Schiffe schnitten durch die geriffelte Wasseroberfläche wie Messer, zerteilten den Nebel, glitten in den geschützten Hafen wie eine dünne Klinge in den Bauch eines Schweins. Die Ruder hoben und senkten sich lautlos in perfektem Gleichtakt. Lumpen in den Dollen erstickten jedes Geräusch. Das Anlegen erfolgte mit der Selbstverständlichkeit ehrsamer Kauffahrer. Von dem ersten Boot sprang ein Matrose leichtfüßig an Land und machte das Tau am Poller fest. Einer der Ruderer hielt das Schiff vom Kai ab, bis auch die Heckleine ausgeworfen und festgemacht war. Alles so gelassen, so kaltblütig. Das zweite Schiff vollführte das gleiche Manöver. Mit der Unverfrorenheit von Raubmöwen waren die Roten Korsaren in den Ort gekommen und

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