Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder
Abendessen war für dich die reinste Freude«, bemerkte der Narr. Ich seufzte. Sinnlos, von ihm wissen zu wollen, wie er hereingekommen war. Weshalb Fragen stellen, auf die nicht mit einer Antwort zu rechnen war. Er saß vor dem Kamin, umrahmt vom zuckenden Schein des kleinen Feuers, das er entzündet hatte. Merkwürdig still kam er mir vor, kein Schellengeklingel, kein Schwall spöttischer Wortkapriolen.
»Unerträglich war es.« Ich machte mir nicht die Mühe, Kerzen anzuzünden, meine Kopfschmerzen waren nicht nur eine Ausrede gewesen. Erst setzte ich mich auf mein Bett, dann streckte ich mich seufzend der Länge nach darauf aus. »Ich habe keine Ahnung, wohin das alles führen soll, noch was ich dagegen tun könnte.«
»Vielleicht hast du bereits genug getan?« äußerte der Narr.
»In letzter Zeit habe ich nichts Bemerkenswertes vollbracht. Außer zu begreifen, wann es klüger ist, Edel keine Widerworte mehr zu geben.«
»Ach ja. Das ist eine Fertigkeit, die wir alle erlernen«, meinte er sarkastisch, zog die Knie unters Kinn und verschränkte die Arme darauf. »Dann weißt du keine Neuigkeiten, die du gewillt bist, einem Narren anzuvertrauen? Einem überaus diskreten Narren?«
»Ich weiß nichts, was du nicht auch weißt und vermutlich schon vor mir gewußt hast.« Die Dunkelheit im Zimmer wirkte beruhigend, meine Kopfschmerzen ließen nach.
»So.« Er schien zu zögern. »Dann darf ich dir vielleicht eine Frage stellen? Die du beantwortest oder auch nicht, wie es dir beliebt.«
»Hör auf, um den heißen Brei herumzureden. Du weißt, daß du fragen wirst, mit oder ohne meine Erlaubnis.«
»In der Tat, du hast recht. Nun denn, die Frage. Oh, ich überrasche mich selbst, ich erröte, wahrhaftig. Kann es sein, daß der Fitz einen Fitz gezeugt hat?«
Ich richtete mich langsam auf und schaute ihn an. »Was hast du mich gefragt?« erkundigte ich mich ungläubig.
Sein Tonfall klang fast entschuldigend. »Ich muß es wissen. Hat Molly dein Kind empfangen?«
Mit einem Satz war ich vom Bett herunter und bei ihm, packte ihn am Kragen und riß ihn auf die Füße. Ich ballte die Faust und erstarrte, entsetzt vom Anblick seines Gesichts im Feuerschein.
»Laß es dich nicht verdrießen«, forderte er mich gleichmütig auf. »Auf ein paar Beulen mehr oder weniger kommt es nicht an. Drücke ich mich eben noch etwas länger in dunklen Ecken herum.«
Ich ließ ihn los. Seltsam, daß die Tat, die ich begehen wollte, mir nun so ungeheuerlich erschien, nachdem ich entdeckt hatte, daß jemand mir zuvorgekommen war. Kaum hatte ich ihn freigegeben, wandte er sich ab, als schämte er sich seines verfärbten und entstellten Gesichts. Vielleicht wirkte, was man ihm angetan hatte, wegen seiner Blässe und Zerbrechlichkeit noch furchtbarer auf mich. Es war, als hätte man sich an einem Kind vergriffen. Ich ging vor dem Kamin in die Hocke und legte frisches Holz aufs Feuer.
»Möchtest du einen genaueren Blick darauf werfen?« erkundigte sich der Narr frostig. »Ich warne dich, es wird bei Lichte besehen nicht schöner.«
»Setz dich auf meine Kleidertruhe und zieh das Hemd aus«, befahl ich ihm schroff. Er machte keine Anstalten, der Aufforderung Folge zu leisten – nun gut. Ich hängte den kleinen Kessel für Teewasser über das Feuer. Der nächste Handgriff galt dem Kerzenleuchter, den ich auf den Tisch stellte, dann holte ich meinen kleinen Vorrat an Kräutern heraus. Es war wirklich nur das Allernötigste, und ich wünschte mir, ich könnte mich aus Burrichs großer Auswahl bedienen. Doch wenn ich den Narren jetzt allein ließ und zu den Stallungen hinunterging, würde er bei meiner Rückkehr verschwunden sein. Immerhin, was mir zur Verfügung stand, waren Remedien für Prellungen und Schnitte und solche Verletzungen, wie sie in meiner anderen Profession am häufigsten vorkamen. Sie mußten genügen.
Ich goß das warme Wasser in meine Waschschüssel und rebelte die Kräuter hinein. In der Kleidertruhe fand ich ein zu klein gewordenes Hemd, das ich in Stücke riß. »Komm ins Licht.« Diesmal sprach ich im Ton einer Aufforderung, und nach kurzem Zögern gehorchte er. Ich musterte ihn kurz, dann nahm ich ihn bei den Schultern und drückte ihn auf die Truhe. »Was ist denn passiert?« Sein Gesicht war furchtbar zugerichtet, die Lippen aufgeplatzt und dick, ein Auge zugeschwollen bis auf einen kleinen Spalt.
»Ich bin in der Burg herumspaziert und habe übellaunige Menschen gefragt, ob sie kürzlich einen Bastard gezeugt
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