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Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Titel: Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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wirklich so ist«, meinte Chade ausdruckslos. »Selbst, wenn sie es besser wissen müßten.«
    »Was glaubst du, was die Korsaren wollen?«
    Er starrte an mir vorbei in die Flammen. »Das ist eine wirklich interessante Frage. Was können die Korsaren wollen? Das ist die Art, wie unser Verstand arbeitet, Fitz. Wir denken, sie greifen uns an, weil sie etwas von uns haben wollen. Aber wenn es so wäre, hätten sie da nicht längst ihre Bedingungen gestellt? Sie wissen, daß sie uns wehtun. Sie müssen sich ausrechnen können, daß wir ihre Forderungen wenigstens in Erwägung ziehen würden. Doch sie verlangen nichts. Sie machen einfach weiter mit ihren Raubzügen.«
    »Vollkommen sinnlos.«
    »Nach unserem Verständnis«, berichtigte er mich. »Doch was, wenn wir von der falschen Voraussetzung ausgehen?«
    Ich sah ihn wortlos an.
    »Was, wenn sie gar nichts anderes wollen, als was sie bereits haben? Eine Nation von Opfern. Städte zu plündern, Dörfer zu brandschatzen, Menschen zu quälen. Was, wenn das ihr einziges Ziel ist?«
    »Das wäre Irrsinn.«
    »Vielleicht. Aber wenn es so wäre?«
    »Dann wird nichts sie aufhalten. Außer es gelingt uns, sie zu vernichten.«
    Er nickte. »Denk weiter.«
    »Wir haben nicht genug Schiffe, um sie auch nur bei ihrem Tun zu stören.« Ich überlegte. »Wir können nur hoffen, daß die Mythen über die Uralten sich als wahr herausstellen, denn mir scheint, nur eine Macht wie sie oder gleich ihnen kann uns noch retten.«
    Chade nickte. »Genau. Nun begreifst du, weshalb ich Veritas’ Plan befürwortet habe.«
    »Weil es unsere einzige Hoffnung ist, zu überleben.«
    Lange saßen wir schweigend zusammen und hingen unseren Gedanken nach. Als ich in jener Nacht in mein Bett zurückging, quälten mich Alpträume von Veritas, der um sein Leben kämpfte, während ich tatenlos daneben stand und zuschaute. Ich konnte seine Angreifer nicht töten, denn mein König hatte es nicht erlaubt.
     
    Zwölf Tage später traf Herzog Brawndy von Bearns ein. Er kam die Küstenstraße entlang, an der Spitze eines Gefolges, das groß genug war, um zu beeindrucken, ohne bedrohlich zu wirken. Er hatte alles an Pomp und Prunk aufgeboten, was sein Herzogtum sich leisten konnte. Seine Töchter ritten neben ihm, bis auf die älteste, die zu Hause geblieben war, um für Holüber zu tun, was getan werden konnte. Ich verbrachte den frühen Nachmittag in den Ställen und anschließend in der Wachstube und lauschte den Gesprächen der Knechte und Kriegsmannen aus Bearns. Flink bewährte sich als stellvertretender Stallmeister von Bocksburg, indem er dafür sorgte, daß ihre Tiere gut untergebracht und gefüttert wurden, und wie immer boten unsere Küchen und Baracken ein gastliches Willkommen. Trotz allem mußten wir uns von den Gästen allerlei harte Worte gefallen lassen. Sie erzählten mit schonungsloser Offenheit, wie es in Holüber aussah und wie ihre Bitten um Hilfen ungehört geblieben wären. Es kam unsere Soldaten hart an, daß sie kaum etwas vorbringen konnten, um König Listenreichs scheinbare Untätigkeit zu rechtfertigen, und wenn ein Soldat nicht rechtfertigen kann, was sein Befehlshaber getan hat, muß er entweder Kritik hinnehmen oder eine andere Möglichkeit finden, sich Luft zu machen. Folglich gab es Prügeleien zwischen Männern aus Bearns und Männern aus Bocksburg, nur vereinzelt, und die Anlässe waren trivial, aber solche Verstöße gegen die Disziplin kamen bei uns gewöhnlich nicht vor. Deshalb wirkten die Vorfälle beunruhigend. Mir schienen sie die Verunsicherung unserer eigenen Truppe deutlich zu machen.
    Ich kleidete mich für das abendliche Festmahl mit großer Sorgfalt an und fragte mich, wem ich begegnen würde und was man von mir erwartete. Zweimal hatte ich Zelerita erspäht und war verschwunden, bevor mich irgend jemand bemerkte. Ich rechnete damit, daß sie beim Essen neben mir sitzen würde, und die Aussicht freute mich wenig. Nach Lage der Dinge konnten wir es uns nicht erlauben, Bearns zu brüskieren, aber ich hatte nicht den Wunsch, das Mädchen zu ermutigen. Wie sich herausstellte, hätte ich mir keine Gedanken deswegen zu machen brauchen. Mir wurde ein Platz weit unten an der Tafel angewiesen zwischen den überzähligen Sprößlingen des niederen Adels. Ich verbrachte einen unangenehmen Abend als mittelmäßig interessante Attraktion. Etliche der heiratsfähigen Töchter versuchten mir schöne Augen zu machen, eine neue Erfahrung für mich, aber ich fand keinen Gefallen

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