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Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Titel: Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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dagegen, stemmte kraftlos gegen meine eigenen Gedanken, die sich damit beschäftigten, welche Todesart Edel für mich ersinnen mochte. Der Phantasie waren kaum Grenzen gesetzt. Ich nahm an, daß er versuchen würde, mir ein Geständnis zu entreißen, und mit etwas Zeit würde es ihm gelingen. Die Angst legte sich mir wie ein eiserner Ring um die Brust. Mit einer großen Willensanstrengung zwang ich mich, von dem Abgrund zurückzutreten, einen Schutzwall zwischen mir und der Erkenntnis zu errichten, daß mein Tod ein qualvoller sein würde. Es war ein makaberer Trost zu wissen, daß ich ein Mittel besaß, ihm den Spaß zu verderben. Zwischen den zwei Stoßlagen meiner blutgetränkten Ärmelmanschette befand sich immer noch die kleine Tasche mit dem Gift, das ich in einer ebenfalls dunklen Stunde für Wallace zubereitet hatte. Wäre es ein weniger drastisches Venenum gewesen, hätte ich nicht gezögert, diesen Ausweg zu wählen, aber ich hatte kein barmherziges Einschlafen im Sinn gehabt, sondern Krämpfe und rote Ruhr und Fieber. Später, dachte ich, wenn selbst ein solches Ende dem vorzuziehen war, was Edel zu bieten hatte. Welch beglückende Aussicht. In Brawndys Umhang gewickelt, legte ich mich auf mein steinernes Bett. Hoffentlich vermißte er ihn nicht zu schmerzlich. Dieses Geschenk war vermutlich die letzte Freundlichkeit, die mir in diesem Leben jemand erwies. Ich schlief nicht ein, sondern floh, tauchte bewußt in Nachtauges Welt.
    Irgendwann erwachte ich aus einem Menschentraum, in dem Chade mich rügte, weil ich unachtsam gewesen war. Ich verkroch mich tiefer in den schützenden Kokon des Umhangs. Fackelschein sickerte in meine Zelle – Tag oder Nacht, ich wußte es nicht, aber mein Gefühl sagte mir, es war tiefe Nacht. Ich versuchte, wieder Schlaf zu finden. Chades drängende Stimme, die auf mich einredete…
    Ich setzte mich langsam auf. Der Tonfall war unverkennbar; die gedämpfte Stimme gehörte Chade. Wenn ich saß, wurde sie leiser. Ich legte mich wieder hin. Jetzt war sie lauter, aber was sie sagte, konnte ich immer noch nicht verstehen. Ich drückte das Ohr an die Bank. Nein. Ich stand auf und ging an den Wänden entlang. Es gab eine Ecke, in der die Stimme am lautesten zu vernehmen war, aber die Worte blieben undeutlich, ein an- und abschwellendes Gemurmel. »Ich kann dich nicht verstehen«, sagte ich zu meiner leeren Zelle.
    Die Stimme schwieg. Meldete sich wieder, mit fragender Betonung.
    »Ich kann dich nicht verstehen!« sagte ich lauter.
    Chade sprach weiter, erregt, aber nicht lauter.
    »Ich kann dich nicht verstehen!« rief ich frustriert.
    Schritte vor meiner Zelle. »FitzChivalric!«
    Die Wärterin war klein, sie konnte nicht zu mir hereinsehen. »Was ist?« fragte ich schläfrig.
    »Was habt Ihr gerufen?«
    »Ich? Oh, es war nur ein schlechter Traum.«
    Die Schritte entfernten sich. Ich hörte sie lachend zu ihrem Kameraden sagen: »Schwer sich vorzustellen, welcher Traum für ihn schlimmer sein könnte als das Erwachen.« Sie hatte einen Binnenländerakzent.
    Ich ging zu meiner Bank zurück und legte mich hin. Chades Stimme war verstummt. Auch wenn ich der Wärterin recht geben mußte und jeder Traum besser war als die Wirklichkeit, nahm ich mir vor, nicht gleich wieder einzuschlafen, sondern darüber nachzudenken, was Chade so angestrengt versucht hatte, mir mitzuteilen. Wohl kaum gute Neuigkeiten, aber schlechte wollte ich mir nicht ausmalen. Wenn ich schon hier sterben mußte, dann wenigstens, weil ich der Königin bei ihrer Flucht geholfen hatte. Ich fragte mich, wie weit sie inzwischen gekommen war. Und der Narr, wie überstand er die Unbilden einer Winterreise? Ich verbot mir, darüber nachzugrübeln, weshalb Burrich nicht bei ihnen war. Statt dessen ließ ich meine Gedanken zu Molly schweifen.
    Ich muß eingenickt sein, denn ich sah sie. Sie mühte sich einen steilen Pfad hinauf, ein Joch mit Wassereimern auf den Schultern. Sie sah blaß aus und krank und erschöpft. Auf der Kuppe des Hügels duckte sich eine baufällige Kate, halb zugeweht vom Schnee. An der Tür blieb Molly stehen, setzte die Eimer ab und schaute auf das Meer hinaus. Sie runzelte die Stirn über das schöne Wetter und den leichten Wind, der die Wellen nur spielerisch mit weißem Schaum krönte. Die Brise hob ihr dichtes Haar, wie ich es zu tun pflegte, und streichelte an der weichen Linie von Nacken und Kehle entlang. Ihre Augen wurden plötzlich groß, dann füllten sie sich mit Tränen. »Nein«, sagte sie

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