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Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Titel: Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Unwillkürlich zuckte ich zurück. Dann blinzelte ich in der ungewohnten Helligkeit. »Ist er das?« fragte Edel das Mädchen sanft. Sie musterte mich ängstlich. Ich musterte sie und überlegte, weshalb mir ihr Gesicht bekannt vorkam.
    »Ja, Herr, Majestät. Das ist er. Ich bin an dem Morgen zum Brunnen gegangen, weil der Kleine doch Wasser haben mußte, sonst wäre er gestorben, und es war auch schon eine ganze Weile still, die ganze Stadt war still wie ein Grab. Also bin ich frühmorgens hinausgegangen, es war neblig, Herr. Dann war da der Wolf neben dem Brunnen, und er richtet sich auf und sieht mich an, und der Wind vertreibt den Nebel, und der Wolf ist verschwunden, er ist jetzt ein Mann. Der Mann da, Euer Majestät König.« Sie starrte mich an wie gebannt.
    Jetzt fiel es mir ein. Der Morgen nach der Schlacht um Guthaven und Burg Seewacht. Nachtauge und ich hatte uns am Brunnen niedergelassen, um auszuruhen. Ich erinnerte mich, wie ich hochgeschreckt war, als er beim Auftauchen des Mädchens verschwand.
    »Du bist ein tapferes Kind«, lobte Edel und tätschelte ihre Schulter. »Hier, Soldat, bring sie nach oben in die Küche und sorg dafür, daß sie ein gutes Essen bekommt und ein Bett. Nein, laß mir die Fackel hier.« Die Tür schlug zu, und der Wärter schloß ab. Ich hörte sich entfernende Schritte, aber das Licht draußen blieb. Edel wartete, bis die anderen alle gegangen waren, dann fing er wieder an zu reden.
    »Nun, Bastard, es sieht aus, als wäre dieses Spiel entschieden. Deine Fürsprecher werden dich ziemlich schnell fallen lassen, wenn sie erst begreifen, was sich hinter deiner harmlosen Larve verbirgt. Ich habe natürlich noch mehr Zeugen, die davon berichten werden, wie man überall, wo du in Guthaven gekämpft hast, Wolfsspuren fand und Männer, die an Raubtierbissen gestorben waren. Sogar einige Soldaten aus unserer Garde hier in Bocksburg werden unter Eid zugeben müssen, daß bei den Vorfällen mit den Entfremdeten, an denen du beteiligt warst, einige der Leichen die Spuren von Zähnen und Krallen trugen.« Er stieß einen Seufzer tiefer Befriedigung aus. Ich hörte, wie er die Fackel in den Wandhalter steckte. Dann kam er zur Tür zurück. Die vergitterte Öffnung war für ihn zu hoch. Er konnte eben über den unteren Rand hinweg zu mir hereinschauen. Ich gönnte mir die kindische Freude aufzustehen, zur Tür zu gehen und auf ihn hinunterzublicken.
    Seine Eitelkeit war verletzt, und er wurde gehässig. »Du warst so einfältig, ein solcher Narr. Mit eingekniffenem Schwanz kamst du aus den Bergen nach Hause gehinkt und dachtest, Veritas’ Gunst wäre alles, was du brauchst, um fröhlich dein Wesen treiben zu können. Du und all deine banalen Ränke. Die kleinen Plaudereien mit unserer Königin, die Bestechung im Turmgarten, um Brawndy auf eure Seite zu ziehen. Selbst ihr Plan, aus Bocksburg zu fliehen. Nehmt warme Kleidung mit, hast du ihr gesagt. Der König wird Euch begleiten.« Er stellte sich auf die Zehenspitzen, damit ich sein Lächeln sehen konnte. »Aber sie hat nichts mitgenommen, als sie ging, Bastard. Weder den König noch die warme Kleidung.« Er machte eine Pause. »Nicht einmal ein Pferd.«
    Seine Stimme liebkoste die letzten Worte, als hätte er sie sich als besonderen Leckerbissen aufgespart. Dabei ließ er mein Gesicht nicht aus den Augen.
    Schlagartig erkannte ich das ganze Ausmaß meiner Dummheit. Rosemarie – Klein-Rosemarie, süß und immer ein bißchen schläfrig. So gescheit, daß man sie mit allen möglichen Botengängen betrauen konnte. So jung, daß man ihre Anwesenheit vergaß. Aber ich hätte es wissen müssen. Ich hätte es wissen müssen! Ich war nicht viel älter gewesen, als Chade anfing, mich in meinem Gewerbe zu unterweisen. Wahrscheinlich hatte Edel keine Mühe, an meinem Mienenspiel abzulesen, wie gründlich es ihm gelungen war, mich zu erschüttern. Ich konnte mich nicht erinnern, was ich vor ihr gesagt oder nicht gesagt hatte. Welche Geheimnisse hatte Kettricken über diesem dunklen Lockenköpfchen wem anvertraut? Welche Gespräche mit Veritas hatte der kleine Schatz belauscht, wieviele Unterhaltungen mit Philia? Die Königin und der Narr waren verschwunden, nur das wußte ich mit Sicherheit. Hatten sie Bocksburg je lebend verlassen? Edel lächelte mit grenzenloser Selbstzufriedenheit, und nur die verschlossene Tür verhinderte, daß ich mein Listenreich gegebenes Versprechen brach.
    Als er ging, lächelte er noch immer.
    Edel hatte seinen Beweis,

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