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Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Titel: Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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sie besaß. Sollte er den ersten Hieb führen.
    Eine Zeitlang verharrten wir regungslos, Auge in Auge. Endlich schlug er den Blick nieder, um ein imaginäres Stäubchen von seinem Ärmel zu schnippen, richtete sich auf und schritt an mir vorbei. Ich dachte nicht daran, ihm Platz zu machen, wie ich es früher getan hätte, und er rempelte mich nicht an wie sonst. Aufatmend setzte ich meinen Weg fort.
    Obwohl ich den Türhüter vor des Königs Gemächern nicht kannte, ließ er mich eintreten. Ich seufzte und nahm mir vor, Namen und Gesichtern wieder mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Seit es am Hof von Gästen wimmelte, die kamen, um die neue Königin zu sehen, geschah es, daß ich von Leuten erkannt wurde, die ich nicht kannte. »Das ist der Bastard, wenn sein Aussehen nicht trügt«, hatte ich gestern einen Räuchermeister draußen vor der Küchentür zu seinem Lehrling sagen gehört. Ich fühlte mich angreifbar. Die Dinge veränderten sich zu schnell für meinen Geschmack.
    Beim Eintritt in König Listenreichs Gemächer war ich befremdet. Ich hatte erwartet, die Fenster geöffnet zu finden, um die frische Winterluft einzulassen, und Listenreich wach und angekleidet bei Tisch, ein General, der seinen Adjutanten erwartet. So kannte ich ihn, ein herrischer alter Mann, streng mit sich selbst, ein Frühaufsteher. Aber diesmal empfingen mich Leere und Stille. Ich wagte mich zur Tür seines Schlafgemachs und spähte durch den handbreiten Spalt.
    In dem Raum herrschte noch Halbdunkel. Ein Diener klapperte mit Bechern und Tellern auf einem kleinen Tisch neben dem wuchtigen Baldachinbett. Er bedachte mich mit einem flüchtigen Blick, offenbar hielt er mich für einen Pagen. Es roch muffig, wie in einem unbenutzten Zimmer oder als wäre lange nicht gelüftet worden. Ich wartete, um dem Diener Gelegenheit zu geben, den König von meiner Anwesenheit in Kenntnis zu setzen, jedoch machte er keine diesbezüglichen Anstalten, und schließlich trat ich unaufgefordert näher.
    »Majestät?« fragte ich zaghaft. »Ich bin gekommen, wie Ihr gewünscht habt.«
    Listenreich saß hinter den zur Seite gerafften Vorhängen in seinem Bett, im Rücken von Kissen gestützt. Bei meinen Worten schlug er die Augen auf. »Wer… ah, Fitz. Setz dich, setz dich. Wallace, bring ihm einen Stuhl. Auch einen Teller und einen Becher.« Während der Diener sich abwandte, um der Aufforderung nachzukommen, meinte Listenreich: »Ich vermisse Cheffers. War so lange bei mir, daß man ihm nicht mehr eigens sagen mußte, was er tun sollte.«
    »Ich erinnere mich an ihn, Majestät. Was ist mit ihm?«
    »Hat einen bösen Husten bekommen. Im Herbst fing es an und wurde nicht besser, bis er ganz ausgezehrt war und bei jedem Atemzug röchelte.«
    Cheffers. Er war nicht mehr jung gewesen, aber auch noch nicht alt. Es überraschte mich, von seinem Tod zu hören. Ich wartete schweigend, bis Wallace den Stuhl und das Gedeck für mich gebracht hatte. Seinem mißbilligenden Stirnrunzeln, als ich mich ohne Umstände hinsetzte, schenkte ich keine Beachtung. Er würde bald lernen, daß bei König Listenreich ein eigenes Protokoll galt. »Und Ihr, Majestät? Seid Ihr krank? Dies ist, soweit ich mich erinnere, das erste Mal, daß Euch diese Morgenstunde noch im Bett findet.«
    König Listenreich stieß einen ungehaltenen Laut aus. »Keine Krankheit, eine lästige Bagatelle. Nur ein Schwindelgefühl, eine Art Benommenheit, die mich überkommt, wenn ich mich zu schnell bewege. Jeden Morgen glaube ich, es ist vorbei, doch sobald ich mich erhebe, ist mir, als wäre diese Burg nicht tief im Fels verankert, sondern triebe wie ein Schiff auf stürmischer See. Also bleibe ich im Bett und esse und trinke ein wenig und erhebe mich dann langsam. Gegen Mittag fühle ich mich ganz gesund. Ich denke, es hat etwas mit der Winterkälte zu tun, auch wenn der Heiler meint, es könnte mit einer alten Schwertwunde zusammenhängen, die ich empfing, als ich nicht viel älter war als du jetzt. Siehst du, ich trage die Narbe noch, obwohl der Vorfall schon Jahrzehnte zurückliegt und ich nie geglaubt hätte, daß mir die Verletzung noch einmal zu schaffen machen würde.«
    Er beugte sich vor und hob mit einer zitternden Hand eine Strähne seines ergrauenden Haars von der linken Schläfe. Ich sah den Wulst der verheilten Wunde und nickte.
    »Doch genug davon. Ich habe dich nicht zu mir gerufen, damit wir uns über meine Gesundheit unterhalten. Ich nehme an, du kennst den Grund?«
    »Ihr erwartet einen

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