Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen
ihnen mit ihren Pferden ein leichtes, mich einzuholen. Ringsum nur flaches Land, weit und breit kein Schlupfloch, kein Versteck. Befanden sie sich nur auf einem Patrouillenritt, der nichts mit mir zu tun hatte, erregte ich durch meinen Fluchtversuch ihren Argwohn und bestätigte Tassin und Merle in ihrer Vermutung. Wohl oder übel faßte ich mich in Geduld und harrte bei meinen Schafen aus. Die Soldaten ritten an mir und der Herde vorbei und auf direktem Weg zum Wasser. Es waren sechs. Ich erkannte eins der Pferde wieder, einen jungen Rehbraunen, von dem Burrich prophezeit hatte, er würde einmal ein guter Renner werden. Ihn hier zu sehen rief mir in Erinnerung, wie Edel Bocksburg ausgeplündert hatte, bevor er Burg, Land und Leute ihrem Schicksal überlassen hatte. Ein Funke des alten Grolls erwachte in mir und machte es leichter, stillzusitzen und abzuwarten.
Nach einer Weile kam ich zu dem Schluß, daß sie in anderem Auftrag unterwegs waren und nur haltgemacht hatten, um an der Wasserstelle zu übernachten. Wenig später kam Creece angestapft, um mich zu holen. »Du sollst ins Lager kommen«, richtete er mir brummig aus. Er legte sich gern gleich nach dem Essen schlafen. Ich fragte ihn, was es gäbe, während er sich auf meinem Platz niederließ.
»Garde des Königs«, knurrte er ungehalten. »Spielen sich auf und verlangen jeden zu sehen, der zu unserem Treck gehört. Auch alle Wagen haben sie durchsucht.«
»Wonach denn?« fragte ich beiläufig.
»Woher soll ich das wissen. Hatte auch keine Lust, mir eins auf die Nase geben zu lassen, weil ich dumme Fragen stelle. Du kannst ja versuchen, es herauszufinden.«
Auf meinen Hirtenstab gestützt, wanderte ich ins Lager zurück. Das Kurzschwert – sollte ich es im Hosenbein verbergen wie schon einmal? Nein, weshalb? Jeder konnte ein Schwert tragen, und falls es hart auf hart kam, wollte ich es zur Hand haben und nicht mit meiner Hose ringen.
Im Lager ging es zu wie in einem aufgescheuchten Hornissennest. Die Haltung von Madge und ihren Helfern verriet sowohl Beklommenheit als auch schwelenden Ärger. Bei meinem Eintreffen waren die Soldaten gerade dabei, die Kesselflicker zu schikanieren. Einer trat mit dem Fuß gegen einen Stapel Töpfe, die mit großem Geschepper umfielen, und brüllte dann, er habe verflucht noch mal das Recht, alles zu durchsuchen und zwar so, wie es ihm paßte! Der Kesselflicker stand bei seinem Wagen. Er sah aus, als hätte man ihn bereits einmal niedergeschlagen. Zwei Soldaten hatten sein Weib und die Kinder an der Deichsel in die Enge getrieben. Die Frau blutete aus der Nase; trotzdem schien sie nicht bereit, klein beizugeben. Ich näherte mich unauffällig und stand neben Dämon, als wäre ich immer schon da gewesen. Er sagte nichts, und ich schwieg ebenfalls.
Der Anführer des Trupps wandte sich von der Auseinandersetzung mit den Kesselflickern ab, und mir lief ein kalter Schauer über den Rücken. Ich kannte ihn. Es war Kujon, wegen seiner harten Fäuste einer von Edels Lieblingen. Wir hatten im Kerker Bekanntschaft geschlossen. Ihm verdankte ich meine gebrochene Nase. Mein Herz schlug einen Trommelwirbel, ich hörte das Blut in meinen Ohren rauschen, und für einen Augenblick wurde mir schwarz vor Augen. Ich bemühte mich, gleichmäßig zu atmen. Kujon nahm in der Mitte des Lagers Aufstellung und ließ seinen geringschätzigen Blick über unsere Versammlung gleiten. »Das sind alle?« verlangte er barsch zu wissen.
Wir nickten. Er musterte uns der Reihe nach, und ich schlug die Augen nieder, um nichts von dem preiszugeben, was in mir vorging. Meine Hände zuckten nach dem Heft von Schwert oder Messer, und ich mußte mich zwingen, sie stillzuhalten.
»Einen so traurigen Haufen Vagabunden habe ich noch selten gesehen.« Sein Tonfall ließ keinen Zweifel daran, daß wir in seinen Augen Ungeziefer waren. »Wir sind den ganzen Tag geritten. Wegweise, dein Junge soll unsere Pferde versorgen. Für uns eine warme Mahlzeit und mehr Brennstoff für das Feuer. Außerdem wollen wir heißes Wasser zum Waschen.« Wieder betrachtete er uns mit einem kalten Blick. »Ich will keinen Ärger. Die Männer, nach denen wir suchen, sind nicht hier, und mehr wollten wir nicht wissen. Tut, was wir verlangen, und es wird keine Schwierigkeiten geben. Ihr könnt euren normalen Verrichtungen nachgehen.«
Hier und da ein zustimmendes Murmeln, doch hauptsächlich antwortete ihm Schweigen. Kujon stieß verächtlich die Luft durch die Nase, dann wandte er sich
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