Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen
Platz näherte. Obwohl kein Wind ging, erreichte mich ihr Duft, und unwillkürlich stieg ein Gefühl der Erwartung in mir auf. Ich fragte mich, ob ich die Willenskraft besaß, sie ein zweites Mal zurückzuweisen. Es mochte ein Fehler sein, sich mit ihr einzulassen, aber mein Körper war eindeutig dafür, ihn zu begehen. Als sie nach meiner Schätzung noch ungefähr ein Dutzend Schritte entfernt war, drehte ich mich um und schaute ihr entgegen. Sie erschrak sichtlich.
»Tassin«, grüßte ich sie ruhig und wandte mich dann wieder meinen Schafen zu. Nach kurzem Zögern kam sie ein Stück näher, stellte sich vor mich hin und schob die Kapuze zurück. Ihre Miene und ihre Haltung drückten kämpferische Herausforderung aus.
»Du bist er, nicht wahr?« schleuderte sie mir atemlos entgegen; ein leichtes Beben in ihrer Stimme verriet, daß ihr offenbar doch nicht ganz geheuer war.
Damit hatte ich nicht gerechnet, und ich brauchte die Überraschung nicht vorzutäuschen. »Ich bin er? Ich bin Tom, der Schafhirte, wenn du das meinst.«
»Nein, du bist er, der zauberkundige Bastard, den die Soldaten des Königs suchen. Nach Merles Geschichte heute abend hat Drew, der Fuhrmann, mir erzählt, was gestern im Ort geredet wurde.«
»Drew hat dir erzählt, ich wäre ein zauberkundiger Bastard?« Ich sprach so langsam, als wäre ich verwirrt von den Worten, die sie hervorsprudelte. Furcht stieg in mir auf wie eine eisige Flut.
»Nein.« Sie wurde ärgerlich. »Drew hat mir gesagt, wie die Soldaten ihn beschrieben haben. Eine gebrochene Nase und eine Narbe an der Wange und eine weiße Strähne im Haar. Gestern abend habe ich dein Haar gesehen. Du hast so eine weiße Strähne.«
»Das ist nicht ungewöhnlich, wenn man einen Schlag auf den Kopf bekommt. Und die Narbe ist schon alt.« Ich musterte sie mit schiefgelegtem Kopf. »Wie es aussieht, heilt dein Gesicht gut.«
»Du bist es doch, gib’s zu!« Mein Versuch, das Thema zu wechseln, hatte sie noch mehr in Rage gebracht.
»Aber es stimmt nicht. Denk nach. Er ist von einem Schwert am Arm verletzt worden, nicht wahr? Sieh her.« Ich krempelte den rechten Hemdsärmel hoch. Der Schnitt, den ich mir selber beigebracht hatte, war links. Eine Wunde, die mir beim Fechten zugefügt worden war, mußte sich an meinem Schwertarm befinden; ich spekulierte darauf, daß sie das wußte.
Sie schaute kaum hin. »Hast du Geld?« fragte sie unvermittelt.
»Wenn ich Geld hätte, wäre ich im Lager geblieben, als die anderen in den Ort gegangen sind? Außerdem, was geht es dich an?«
»Nun, wenn du Geld hast, könntest du damit mein Schweigen erkaufen. Sonst gehe ich vielleicht zu Madge mit meinem Verdacht. Oder zu den Fuhrleuten.« Sie reckte trotzig das Kinn vor.
»Sie können alle gern einen Blick auf meinen Arm werfen, genau wie du«, sagte ich müde und wandte mich von ihr ab, als wäre es mir zu dumm, weiter mit ihr zu reden. »Du bist ein törichtes kleines Mädchen, Tassin, dir von Merles Gespenstergeschichten Flausen in den Kopf setzen zu lassen. Geh wieder zu Bett.«
»Du hast am anderen Arm einen Kratzer. Ich habe ihn gesehen. Manche könnten glauben, daß er von einem Schwertstreich stammt.«
»Wahrscheinlich dieselben, die glauben, du hättest Verstand.«
»Mach dich nicht über mich lustig«, warnte sie mit einer vor Gehässigkeit tonlosen Stimme. »Ich lasse mich nicht verspotten.«
»Dann rede nicht so dummes Zeug. Was hast du eigentlich? Willst du dich rächen? Bist du gekränkt, weil ich nicht mit dir schlafen wollte? Ich habe doch gesagt, es lag nicht an dir. Du bist hübsch anzusehen, und bestimmt wäre es eine Wonne, dich zu berühren. Aber nicht für mich.«
Plötzlich spuckte sie neben mich auf den Boden. »Als wenn ich es dir erlaubt hätte. Ich wollte mir nur einen Spaß machen, Schafhirte, weiter nichts.« Sie stieß einen angewiderten Laut aus. »Männer! Wie kannst du dich ansehen und glauben, jemand könnte in Leidenschaft zu dir entbrennen. Du stinkst nach Schafen, du bist nur Haut und Knochen, und dein Gesicht sieht aus, als wärst du in jedem Kampf der Verlierer gewesen.« Sie fuhr auf dem Absatz herum, dann schien ihr plötzlich wieder einzufallen, weshalb sie eigentlich gekommen war. »Ich werde niemandem etwas verraten. Noch nicht. Aber wenn wir am Blauen See sind, wird dein Herr dir deinen Lohn auszahlen. Sieh zu, daß du ihn mir bringst, oder ich erzähle in der ganzen Stadt herum, wer du bist.«
Ich seufzte. »Ganz, wie es dir beliebt. Wenn sich
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