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Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Kopf nach hinten bog, um mir ins Gesicht zu starren. Er war so groß und muskulös, wie ich mich an ihn erinnerte. Alles fiel mir wieder ein – sogar, wie er gerochen hatte. Mir wurden die Knie weich.
    Ich ertrug seine Musterung, ohne mich zu rühren, und hütete mich, ihm in die Augen schauen, sondern ließ wie hilfesuchend den Blick zur Seite wandern. Madge war von irgendwoher aufgetaucht und beobachtete das Geschehen mit vor der Brust verschränkten Armen.
    »Du hast eine Narbe an der Wange, sehe ich das richtig, Mann?«
    »Ja, Herr, das ist richtig. Als Junge bin ich von einem Baum gefallen und...«
    »Dabei hast du dir auch die Nase gebrochen?«
    »Nein, Herr, nein, das war bei einer Schlägerei in einer Schänke, ungefähr vor einem Jahr...«
    »Zieh dein Hemd aus!«
    Ich gehorchte. Für den Fall, daß er sich meine Arme ansehen wollte, hätte ich meine Geschichte von dem Nagel parat gehabt, doch er beugte sich vor und musterte eine Stelle in der Beuge zwischen Schulter und Hals, wo mir vor langer Zeit in einem Kampf ein Entfremdeter ein Stück Fleisch herausgebissen hatte. Er betrachtete sich die wulstige Narbe, dann warf er den Kopf zurück und lachte.
    »Verdammt! Ich war nicht sicher, Bastard, ob du es bist. Eigentlich war ich sicher, daß du es nicht bist. Aber das ist die Narbe, die ich gesehen habe, als ich dich das erste Mal zu Boden schlug.« Triumphierend schaute er seine Leute an, die uns umstanden. »Er ist es! Wir haben ihn erwischt. Die Gabenzauberer des Königs suchen das ganze Land nach ihm ab, und er fällt in unsere Hände wie eine reife Frucht.« Er musterte mich von Kopf bis Fuß und leckte sich dabei die Lippen. Ich spürte einen seltsamen Hunger in ihm, einen Drang, den er beinahe zu fürchten schien. Unvermittelt packte er mich am Hals und zog mich zu sich empor, bis unsere Gesichter sich fast berührten. »Versteh mich recht: Verde war ein Freund. Es sind nicht die hundert Goldstücke Belohnung, die mich davon abhalten, dich hier und jetzt zu töten. Es ist allein die Überzeugung, daß mein König bessere Mittel zur Hand hat, dir das Sterben abwechslungsreich zu gestalten, als ich hier improvisieren könnte. Du wirst wieder mir gehören, Bastard, im Rund. Oder soviel von dir, wie mein König mir von dir übrigzulassen beliebt.«
    Kujon stieß mich heftig von sich weg, so daß ich rückwärts durch das Feuer stolperte und auf der anderen Seite in die Arme von zwei Soldaten. Ich schaute wild von einem zum anderen. »Das ist ein Irrtum!« rief ich. »Ein furchtbarer Irrtum!«
    »Legt ihn in Eisen!« befahl Kujon rauh.
    Madge trat vor. »Ihr seid sicher, was diesen Mann betrifft?« In ihrer Stimme lag Autorität.
    Er antwortete ihr als einer Ebenbürtigen. »Ich bin sicher. Er ist der Bastard, der über die widernatürliche Alte Macht gebietet.«
    Ein Ausdruck tiefsten Abscheus flog über ihr Gesicht. »Dann könnt ihr ihn haben und weg mit Schaden.« Sie machte auf dem Absatz kehrt und entfernte sich.
    Die Soldaten, die mich festhielten, hatten mehr auf den kurzen Wortwechsel geachtet als auf ihren schlotternden Gefangenen. Ich setzte alles auf eine Karte, riß mich los, rammte mit der Schulter einen verdutzten Kujon zur Seite und lief wie ein Hase hakenschlagend durch das Lager, vorbei am Wagen der Kesselflicker, hinter dem sich, im Grau der Morgendämmerung einem konturlosen, zerknitterten Laken gleich, die tellerflache Ebene nach allen Seiten bis zum Horizont erstreckte. Keine Deckung, kein Schlupfloch, aber nicht stehenbleiben, weiterlaufen, einfach drauflos.
    Ich hatte mit Verfolgern gerechnet, zu Fuß oder zu Pferde, aber nicht mit einem Mann mit einer Schleuder. Der erste Stein traf mich auf das linke Schulterblatt und lähmte meinen Arm. Der Schmerz war der gleiche, als hätte ein Pfeil meinen Körper durchschlagen. Ich lief weiter. Dann fällte mich aus heiterem Himmel ein Blitz.
    Als ich zu mir kam, hatte man Kujons Befehl befolgt und mich in Eisen gelegt. Meine linke Schulter schmerzte entsetzlich, doch nicht so schlimm wie die Beule an meinem Kopf. Mit großer Mühe gelang es mir, mich hinzusetzen. Die Kette zwischen meinen Fußschellen war so kurz, daß ich nur kleine Schritte machen konnte. Meine Hände waren auf die gleiche Art gefesselt und Hand- und Fußschellen durch eine längere Kette verbunden, die mir erlaubte, aufrecht zu stehen. Hätte ich stehen können...
    Ich sagte nichts, tat nichts. Was hätte ich auch tun sollen, in Ketten, gegen sechs bewaffnete Soldaten.

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