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Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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massierte ihre behandschuhten Hände. »Verfluchte alte Knochen«, murmelte sie vor sich hin. »Wären nicht meine alten Knochen, brauchte ich keinen von euch. Keinen.«
    Ich war heilfroh, als Merle neben mir ihr Pferd zügelte. »Sieh dir an, was für einen Gaul man mir zu reiten gegeben hat!« beschwerte sie sich. Ihre Rappstute schüttelte die Mähne und rollte die Augen, als wollte sie sagen: Nun sieh sich einer an, was man mir als Reiter zumutet!
    »Du kannst zufrieden sein. Das ist die Rasse, die man in den Bergen züchtet. Sie mögen nicht sehr edel aussehen, aber sie sind trittsicher und ausdauernd, und sie haben meistens ein sanftmütiges Wesen.«
    Merle runzelte die Stirn. »Ich habe Nik gesagt, für das Geld, das wir bezahlen, erwarte ich ein anständiges Pferd.«
    In diesem Augenblick ritt Nik an uns vorbei. Sein Pferd war nicht größer als das von Merle. Sobald er ihrer ansichtig wurde, schaute er rasch zur Seite. Offenbar hatte er gelernt, sich vor ihrer spitzen Zunge zu hüten. »Zeit aufzubrechen«, sagte er ruhig, aber so, daß alle es hören konnten. »Bewahrt nach Möglichkeit Stillschweigen und bleibt dicht hinter dem vor euch fahrenden Wagen. In diesem Wetter ist es leichter, sich aus den Augen zu verlieren, als man glaubt.«
    Obwohl er die Stimme kaum erhoben hatte, wurde seinen Anweisungen augenblicklich Folge geleistet. Keine gebrüllten Befehle, kein lautes Lebewohl, nur der Wagen vor uns setzte sich schwerfällig in Bewegung. Ich nahm die Zügel auf, schnalzte mit der Zunge, und schon rollten wir nahezu geräuschlos durch einen nicht enden wollenden Vorhang aus rieselndem Schnee. Die Rappstute zerrte aufgeregt am Zügel, bis Merle ihr den Kopf freigab, dann trabte sie zu ihren Artgenossen an der Spitze des Wagenzugs. Ich war schutzlos und allein dem Schweigen der alten Frau ausgeliefert.
    Bald fand ich heraus, wie recht Nik mit seiner Warnung gehabt hatte. Die Sonne ging auf, aber der dicht fallende Schnee dämpfte das Tageslicht zu einer milchigen Helligkeit, und die tanzenden, wie Perlmutt schimmernden Flocken verwirrten und ermüdeten das Auge. Es war ein endloser weißer Tunnel, durch den wir fuhren, und das einzige, woran wir uns halten konnten, war das Heck des Wagens vor uns.
    Von Nik geführt, folgten wir nicht der Chaussee, sondern nahmen den Weg über die gefrorenen Felder und Wiesen; vor jedem Koppelzaun mußten die Reiter absteigen, um die Gatter zu öffnen und, sobald der letzte Wagen hindurchgerumpelt war, wieder zu schließen. Hinter uns füllte der Schnee die Radfurchen aus und deckte sie zu. Bald würde man keine Spuren mehr erkennen können. Einmal erspähte ich im Schneegestöber ein weiteres Bauernhaus, doch es war dunkel und schien verlassen zu sein. Kurz nach Mittag durchfuhren wir ein letztes Tor und holperten von dem Acker auf einen breiten Feldweg, der vielleicht einmal eine Straße gewesen war. Die einzigen Spuren waren unsere eigenen, und sie wurden vom Schnee ausgelöscht.
    Während der ganzen Zeit war meine Gefährtin so frostig und stumm gewesen wie ein Schneemann. Von Zeit zu Zeit schaute ich aus den Augenwinkeln zu ihr hin. Sie blickte starr geradeaus; ihr Oberkörper folgte dem Schwanken des Karrens. Mir fiel auf, daß sie unablässig ihre Hände massierte, als schmerzten sie. Weil ich nichts Besseres zu tun hatte, dachte ich über sie nach. Offensichtlich war sie aus den Marken gebürtig; also eine Landsmännin, der heimatliche Akzent war noch herauszuhören, wenn auch abgeschliffen durch viele Jahre in der Fremde. Ihr Umschlagtuch war die Arbeit von Webern aus Chalced, aber die Stickerei an den Rändern ihres Umhangs, schwarz auf schwarz, war mir fremd.
    »Du bist weit weg von den Marken, Junge«, äußerte sie unvermittelt, dabei schaute sie weiterhin unverwandt geradeaus. Etwas in ihrem Tonfall ging mir gegen den Strich.
    »Ihr nicht minder, Mütterchen«, gab ich zurück.
    Jetzt wandte sie den Kopf, um mich anzusehen. Ich wußte nicht genau, ob Belustigung oder Unmut in den schwarzen Rabenaugen glomm. »Du hast recht, das bin ich. Sowohl nach Jahren als auch nach Meilen, weit weg von zu Hause.« Sie schwieg, dann fragte sie: »Weshalb willst du in die Berge?«
    »Um meinen Onkel zu besuchen«, antwortete ich wahrheitsgemäß.
    Sie schnaufte verächtlich. »Ein Bursche aus den Marken hat einen Onkel in den Bergen? Und du hängst so an ihm, daß du seinetwegen Kopf und Kragen riskierst?«
    Ich erwiderte ihren Blick. »Er ist mein Lieblingsonkel. Und Ihr,

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