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Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Meinung.
    Die Menschen, die Zeugen der Vorgänge in Bocksburg waren und aus erster Hand über die Verhältnisse innerhalb der königlichen Familie informiert, vertreten eine gänzlich andere Meinung. Ohne Ausnahme glauben sie, daß beide, Kettricken und ihr ungeborenes Kind, heimtückischen Anfeindungen ausgesetzt gewesen waren. Es gibt Beweise, daß sogar nach der Flucht der Königin aus Bocksburg Edels Anhänger alles dransetzten, sie zu verleumden, bis hin zu der Behauptung, das Kind in ihrem Leib sei nicht von Veritas gezeugt worden, sondern von seinem illegitimen Brudersohn FitzChivalric.
    Alle Vermutungen darüber, wie es den Lauf der Geschichte beeinflußt hätte, wäre Kettricken in Bocksburg geblieben, sind mittlerweile müßige Spekulation. Historische Tatsache ist, daß sie glaubte, ihr Kind hätte die besten Aussichten zu überleben, wenn es in ihrer geliebten Bergheimat zur Welt kommen würde. Ein weiterer Grund für ihre Rückkehr war, daß sie hoffte, Veritas zu finden und ihm zur Seite zu stehen, wenn er von seinem jüngeren Bruder den Thron der Sechs Provinzen zurückforderte. Ihre Bemühungen, etwas über seinen Verbleib zu erfahren, brachten ihr jedoch nur Enttäuschung und Kummer. Sie fand den Platz, wo er und seine Begleiter sich gegen unbekannte Angreifer zur Wehr gesetzt hatten, und die unbestattet gebliebenen Gebeine der Gefallenen – verstreute Knochen und Fetzen von Kleidung, mehr hatten die Aasfresser nicht übriggelassen. Unter diesen Überresten befanden sich auch der blaue Umhang, den Veritas beim Abschied getragen hatte sowie sein Jagdmesser. Kettricken kehrte in die königliche Residenz in Jhaampe zurück und beweinte ihren Gemahl als einen Toten.
    Doch sie kam nicht zur Ruhe, denn noch Monate später erreichte sie Kunde, man habe in den Bergen hinter Jhaampe Männer umherirren sehen, die den Waffenrock von Veritas’ Leibgarde trugen. Von Dörflern angesprochen, zeigten sie große Scheu vor Menschen und lehnten trotz ihres zerlumpten Aussehens die angebotene Hilfe oder Nahrung ab. Einhellig wurden sie von denen, die ihnen begegneten, als ›ausgemergelt‹ oder ›mitleiderregend‹ beschrieben. Von Zeit zu Zeit fand eine dieser Elendsgestalten den Weg nach Jhaampe. Sie waren nicht in der Lage, auf Kettrickens Fragen nach Veritas und was aus ihm geworden sei, verständlich Auskunft zu geben. Sie konnten sich nicht einmal erinnern, wann sie sich von ihm getrennt hatten oder unter welchen Umständen. Einer wie der andere schien einzig von dem Wunsch besessen, nach Bocksburg zurückzukehren.
    Im Laufe der Zeit festigte sich in Kettricken die Überzeugung, Veritas und seine Getreuen wären nicht allein durch blanken Stahl, sondern auch durch Magie besiegt worden. Die Ehrlosen, die ihn mit Waffengewalt verdarben, und die verräterische Kordiale, die seine Leibgarde in Angst und Verwirrung stürzte, waren, so vermutete sie, von seinem jüngeren Bruder, Prinz Edel, angestiftet worden. Daher rührte der unstillbare Haß, den sie gegen ihren Schwager hegte.
     
    Lautes Klopfen riß mich aus dem Schlaf. Frierend und verstört rief ich irgend etwas und hörte draußen im Flur eine Stimme sagen: »In einer Stunde brechen wir auf!«
    Ich befreite mich aus verknäuelten Decken und Merles schläfriger Umarmung, suchte meine Stiefel, zog sie an und dann meinen Umhang. Es war kalt im Zimmer. Merle hatte sich nicht gerührt, außer um an die warme Stelle zu rücken, wo ich gelegen hatte. Ich beugte mich über das Bett. »Merle?« Als sie nicht antwortete, schüttelte ich sie leicht. »Merle! In weniger als einer Stunde brechen wir auf. Du kannst nicht einfach weiterschlafen!«
    Sie stieß einen abgrundtiefen Seufzer aus. »Geh schon vor. Ich komme gleich.« Sie wühlte sich tiefer zwischen die Decken. Ich zuckte die Schultern und ging.
    Unten in der Küche hatte Pelf etliche Stapel Pfannkuchen am Herd warm gestellt. Sie reichte mir einen Teller mit Butter und Honig, und ich ließ mich nicht zweimal bitten. Das Haus, das gestern noch so ruhig gewesen war, wimmelte nun vor Menschen; nach der unübersehbaren Familienähnlichkeit zu urteilen, allesamt Angehörige einer Sippe. Der kleine Junge mit dem gefleckten Zicklein saß am Tisch und fütterte seinen Spielgefährten mit Pfannkuchenstückchen. Von Zeit zu Zeit ertappte ich ihn dabei, wie er mich anstarrte. Als ich ihm zulächelte, machte er große Augen, rutschte vom Stuhl und trug seinen Teller zu der Strohschütte in der Ecke. Das Zicklein trippelte

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