Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen
sich in der Wolle aus, und ich zerfloß mit ihm. Ich schwebte, und der Raum war voller schwarzer Punkte. Die Heilerin machte sich am Herd zu schaffen. Sie nahm ein weiteres Schmiedewerkzeug aus den Flammen. Das glühende Ding in der Hand, drehte sie sich herum und schaute mich an.
»Warte!« rief ich entsetzt und bäumte mich auf, doch Chade bekam mich an den Schultern zu fassen.
»Es muß sein«, ermahnte er mich streng und hielt mich unerbittlich nieder, während die Heilerin sich näherte. Anfangs empfand ich nur einen Druck, als sie das Eisen an meinen Rücken hielt. Ich roch mein eigenes verbranntes Fleisch und blieb seltsam gleichgültig, bis der Schmerz mich packte und meinen Körper ein Ruck durchfuhr, der schlimmer war als der Sturz in die Schlinge des Henkers. Die Schwärze wallte auf, um mich zu verschlingen. »Über Wasser aufgehängt und dann verbrannt!« rief ich in höchster Not. Ein Wolf heulte.
Auftauchen. Emporsteigen, näher und näher zum Licht. Eine Rückkehr aus großer Tiefe, wo die Wasser warm gewesen waren und voller Träume. Ich schmeckte den Rand der Wirklichkeit, atmete Wachsein.
Chade: »... aber du hättest mir doch wenigstens sagen können, daß er lebte und zu dir gekommen war. Eda und El im Bündel, Narr, wie oft habe ich dich in meine geheimsten Gedanken eingeweiht?«
»Beinahe so oft wie nicht«, erwiderte der Narr bissig. »Fitz hat mich gebeten, seine Anwesenheit hier geheimzuhalten. Und das ist gelungen, bis diese Vagantin sich einmischen mußte. Wäre es schlimm gewesen, wenn man ihn in Ruhe gelassen hätte, damit er sich erholen konnte, um für die Operation bei Kräften zu sein? Du hast dir seine Reden im Fieberwahn angehört. Macht er auf dich den Eindruck eines Menschen, der mit sich im Einklang ist?«
Chade seufzte. »Dennoch. Du hättest es mir sagen können. Du weißt, was es mir bedeutet hätte zu wissen, daß er lebt.«
»Du weißt, was es mir bedeutet hätte zu wissen, daß es einen Erben für den Thron der Weitseher gibt«, konterte der Narr.
»Du hast es zur gleichen Zeit erfahren wie die Königin.«
»Ja, aber wie lange wußtest du schon, daß es diesen Erben gibt? Seit du Burrich den Auftrag gegeben hattest, sich Mollys anzunehmen? Du wußtest schon bei deinem letzten Besuch, daß Molly sein Kind unter dem Herzen trug, aber du hast nichts gesagt.«
Chade holte zischend Atem, dann warnte er: »Das sind Namen, die besser nicht ausgesprochen werden, nicht einmal hier. Selbst der Königin gegenüber habe ich diese Namen verschwiegen. Versteh mich recht, Narr: Je mehr Leute eingeweiht sind, desto größer die Gefahr für das Kind. Ich hätte nie mein Schweigen gebrochen, nur daß das Kind der Königin gestorben ist und wir Veritas für tot hielten.«
»Vergiß deine Hoffnung, etwas geheimhalten zu können. Eine Vagantin weiß von Molly, und Vaganten sind wie Spatzen, die alles von den Dächern pfeifen.« Sein Tonfall ließ keinen Zweifel daran, daß er Merle alles andere als gewogen war. »Was hattest du ausgeheckt, Chade? Wolltest du Fitz’ Tochter als die Frucht von Veritas’ Lenden ausgeben? Sie Molly aus den Armen reißen und der Königin bringen, damit sie zur Thronfolgerin erzogen wird?« Er musterte Chade mit einer Miene frostiger Neugier.
»Ich... Die Zeiten sind schwer, und die Bedrängnis ist groß, aber... Nicht ihr aus den Armen reißen, nein. Burrich würde die Notwendigkeit begreifen, und ich glaube, er könnte die Frau überzeugen. Davon abgesehen, was kann sie dem Kind bieten? Eine mittellose Kerzenzieherin ohne die Möglichkeit, ihr Gewerbe auszuüben – wie soll sie für ein Kind sorgen? Die Kleine hat etwas Besseres verdient. Das gilt natürlich auch für ihre Mutter, und ich würde alles tun, damit sie nicht leer ausgeht. Aber das Kind darf man ihr nicht lassen. Denk nach. Sobald das Gerücht die Runde macht, ist sie nur noch in unserer Obhut sicher, als legitime Kronprinzessin. Die Frau hört auf Burrich. Er könnte sie zur Einsicht bringen.«
»Ich bin nicht davon überzeugt, daß man Burrich wird zur Einsicht bringen können. Er hat bereits ein Kind der Staatsräson geopfert. Möglicherweise ist er nicht sehr begeistert von der Vorstellung, es noch einmal zu tun.«
»Manchmal ist jede Wahl schlecht, mein Freund, und dennoch muß man wählen.«
Ich muß wohl einen Laut von mir gegeben haben, denn sofort waren beide neben mir. »Junge?« fragte Chade besorgt. »Junge, bist du wach?«
Ja. Ich öffnete ein Auge einen Spalt.
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