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Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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heißt es gewöhnlich: ›Nicht heute und nicht morgen, aber irgendwann. Vielleicht.‹«
    »Würdest du bitte still sein?« Ich sagte es laut, aber ohne rechten Nachdruck.
    Merle folgte mir schweigend. Nach ein paar Schritten bemerkte sie: »Ich weiß nicht, wen ich mehr bedauern soll, dich oder sie.«
    »Vielleicht alle beide«, schlug ich vor. Ich wollte nichts mehr davon hören.
    Der Narr hatte Wache, als wir ins Lager zurückkehrten. Krähe und Kettricken schliefen bereits. »Gute Jagd?« erkundigte er sich angelegentlich, als wir herankamen.
    Ich zuckte die Schultern. Nachtauge lag zu seinen Füßen und verleibte sich mit stillem Vergnügen das zweite Kaninchen ein. »Gut genug.« Ich hielt das andere Kaninchen hoch. Der Narr nahm es mir ab und hängte es an die Zeltstange.
    »Frühstück«, erklärte er gelassen. Sein Blick huschte zu Merles Gesicht, doch falls er sah, daß sie geweint hatte, enthielt er sich einer spöttischen Bemerkung. Ich weiß nicht, was er in meinen Zügen las, denn auch darüber verlor er kein Wort. Merle folgte mir in die Jurte, wo ich die Stiefel von den Füßen zog und mich dankbar auf mein Deckenlager sinken ließ. Als ich spürte, wie sie sich ein paar Atemzüge später an meinen Rücken schmiegte, war ich nicht sonderlich überrascht. Wahrscheinlich sollte die Geste bedeuten, daß sie mir vergeben hatte. Dem Einschlafen war es nicht förderlich.
    Schließlich gelang es mir doch. Ich hatte meine Schutzwehren aufgerichtet, aber irgendwie brachte ich einen ganz eigenen Traum zustande. Mir träumte, ich säße an Mollys Bett und behütete ihren und Nessels Schlummer. Der Wolf lag zu meinen Füßen, und auf einem Stuhl am Kamin saß zufrieden der Narr. Krähes Spieltuch lag auf dem Tisch ausgebreitet; doch statt der Steine standen darauf winzige Statuen verschiedener Drachen in Schwarz und Weiß. Die roten Figuren waren Schiffe, und ich war am Zug. Ich hielt die Figur in der Hand, mit der ich das Spiel gewinnen konnte, doch ich hatte nur den Wunsch, Molly im Schlaf zu beobachten. Es war beinahe ein friedvoller Traum.

Kapitel 31
Elfenrinde
     
    Es existiert eine Anzahl alter ›Weißer Prophezeiungen‹, die Bezug auf den Verrat an dem Katalysator nehmen. Colum der Weiße sagt über diesen Vorfall: »Durch seine Liebe verrät er sich und wird seine Liebe verraten.« Ein weniger bekannter Scholar und Prophet, Gant der Weiße, äußert sich genauer. »Das Herz des Katalysators öffnet er einem Freund. Vertrauen wird geschenkt, und Vertrauen wird mißbraucht. Das Kind des Katalysators wird in die Hand seines Feindes gegeben, durch einen, dessen Liebe und Treue über jeden Zweifel erhaben sind.« Die anderen Prophezeiungen sind weniger konkret, doch der Grundtenor ist, daß der Katalysator von einem verraten wird, der sein uneingeschränktes Vertrauen genießt.
     
    Früh am nächsten Morgen, bei einigen Scheiben gegrillten Kaninchenfleischs, zogen Kettricken und ich wieder die Karte zu Rate. Eigentlich brauchten wir kaum einen Blick darauf zu werfen, beide kannten wir sie in- und auswendig; doch es war angenehm, sie zwischen uns liegen zu haben und darauf deuten zu können, während wir die Einzelheiten der nächsten Etappe unserer Reise besprachen. Kettricken fuhr eine verblaßte Linie auf dem brüchigen Velin entlang. »Wir müssen zu dem Pfeiler an dem Kreuzweg zurückkehren und von da aus ein kurzes Stück der Gabenstraße folgen. Bis hin zu unserem letzten Ziel, wie es aussieht.«
    »Ich bin nicht erpicht darauf, wieder die Straße benutzen zu müssen«, gestand ich. »Selbst neben ihr herzugehen zehrt an meinen Kräften. Doch ich nehme an, es läßt sich nicht ändern.«
    »Nein.«
    Kettricken war zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um auch noch für mich großes Mitgefühl aufbringen zu können. Ich betrachtete sie. Das einst glänzende flachsblonde Haar war zu einem kurzen, struppigen Zopf geflochten. Kälte und Wind hatten Spuren in ihrem Gesicht hinterlassen: schrundige Lippen und feine Linien um die Augen und den Mund und von Kummer und Sorge tief eingekerbte Falten auf der Stirn und über der Nasenwurzel. Ihre Kleidung war abgerissen und schäbig. Die Königin der Sechs Provinzen wäre in Fierant nicht einmal als Kammerzofe angenommen worden. Plötzlich wünschte ich mir, sie mit meinen Gedanken berühren zu können, aber ich wußte nicht wie, und deshalb sagte ich nur: »Wir werden den Ort erreichen, und wir finden Veritas.«
    Sie hob die Augen und begegnete meinem Blick.

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