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Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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seinen hochgezogenen Lefzen. Doch wo sich die mächtigen Tatzen und sein peitschender Schweif hätten befinden müssen, gab es nur konturlosen schwarzen Stein, als wären diese beiden in einen Asphalttümpel geraten, aus dem sie sich nicht mehr hatten erheben können.
    Selbst in Stein gehauen, konnte man von diesem Denkmal vergeblichen Strebens nicht unberührt bleiben. Ich sah Krähe rasch das Gesicht abwenden. In ihren Augen glänzten Tränen. Doch was Nachtauge und mich am meisten verstörte, war das Pulsieren der Alten Macht, das davon ausging. Es war schwächer als bei den Skulpturen in dem Garten, deswegen aber um so anrührender – gleich den letzten Todeszuckungen eines rettungslos verlorenen Lebewesens. Ich fragte mich, wer dieser Künstler gewesen sein mochte, der die Macht besaß, einer Skulptur solch spürbares Leben einzuhauchen. Auch wenn ich die meisterliche Ausführung des Kunstwerks bewunderte, ich war nicht sicher, daß es mir gefiel. Aber das galt für vieles aus der Hinterlassenschaft dieses fremdartigen Volkes.
    Als ich an dem Steinbildnis vorbeischlich, fragte ich mich, ob es diese Impulse gewesen waren, die der Wolf und ich gespürt hatten. Ein Kribbeln überkam mich, als ich sah, wie der Narr sich umdrehte und mit unbehaglich gekrauster Stirn zu der Skulptur zurückblickte. Offenbar spürte auch er etwas, wenn auch nur vage.
    Vielleicht sind die Signale von hier gekommen, Nachtauge. Vielleicht befindet sich doch kein lebendes Wesen in dem Steinbruch, nur dieses Denkmal eines langsamen Sterbens.
    Nein. Ich wittere etwas.
    Ich weitete meine Nasenlöcher, stieß einmal lautlos den Atem aus und sog langsam und tief die Luft ein. Mein Riechvermögen war nicht so fein wie das Nachtauges, aber seine Sinne unterstützten die meinen. Schweiß und ganz schwach salziger Blutgeruch. Beides frisch. Plötzlich drängte der Wolf sich eng an mein Bein, und wie ein Wesen schoben wir uns zum Ende eines hausgroßen Steinblocks.
    Ich lugte um die Ecke; dann ging ich vorsichtig weiter. Nachtauge schlüpfte an mir vorbei. Ich sah den Narren um die gegenüberliegende Ecke biegen und spürte auch die anderen näher kommen. Niemand sprach.
    Es war noch ein Drache, dieser so groß wie ein Schiff. Er räkelte sich schlafend auf dem Steinblock, aus dem er sich herausschälte. Splitter, Schutt und Grus häuften sich um ihn herum auf dem Boden. Sogar aus der Ferne betrachtet, wirkte er imposant. Obwohl er schlummerte, verriet jede Linie seines Leibes Kraft und Adel. Die eingefalteten Schwingen glichen gerefften Segeln, während der stolze Bogen des gewaltigen Nackens mich an ein Streitroß gemahnte. Erst nach einigen Minuten andächtigen Staunens entdeckte ich die daneben ausgestreckte graue Gestalt. Ich starrte sie an und versuchte mir darüber klarzuwerden, ob das flackernde Leben, das ich wahrnahm, von ihr ausging oder von dem steinernen Drachen.
    Gesteinsabfälle bildeten fast eine Rampe hinauf zu dem Block, aus dem der Drache herauswuchs. Ich erwartete, bei meinen knirschenden Schritten würde die Gestalt sich regen, aber sie blieb still liegen. Nicht einmal die leichten Bewegungen von Atemzügen konnte ich feststellen. Die anderen blieben zurück und warteten ab. Nur Nachtauge begleitete mich, und auch er unter Vorbehalt, wie sein gesträubtes Nacken- und Rückenfell verriet. Ich war bis auf Armeslänge herangekommen, als die Gestalt sich ungelenk erhob und zu mir herumdrehte.
    Er war alt und dünn, Haar und Bart ergraut. Steinmehl lag als graue Schicht auf seinen Kleidern und haftete grau an seiner Wange. Aus den durchlöcherten Hosenbeinen lugten die nackten Knie, schorfig und blutig vom Knien auf scharfkantigen Steinsplittern. Seine Füße waren in Lumpen gewickelt. Eine Hand, die in einem eisengrauen Gauntelet steckte, umklammerte ein Schwert; doch es sah nicht so aus, als hätte er die Absicht, es zu benutzen. Vielmehr schien es schon fast über seine Kraft zu gehen, die Klinge überhaupt festzuhalten. Instinktiv spreizte ich die Arme vom Körper ab, um zu zeigen, daß ich unbewaffnet war. Er betrachtete mich eine Zeitlang abwesend, dann hob er langsam die Augen zu meinem Gesicht. Eine Zeitlang starrten wir uns gegenseitig an. Sein spähender, trüber Blick erinnerte mich an Josh den Farmer. Dann öffneten sich die Lippen in dem wilden Bart und entblößten überraschend weiße Zähne. »Fitz?« fragte er zweifelnd.
    Ich erkannte seine Stimme, obwohl sie heiser klang. Diese Elendsgestalt mußte Veritas sein,

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