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Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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langsamer.
    Und so stand ich nach der langen Zeit und dem weiten Weg allein meinem König gegenüber. »Komm zu mir«, hatte er mir befohlen, und ich hatte gehorcht. Einen kurzen Augenblick lang empfand ich so etwas wie Frieden, weil die unerbittliche Stimme in meinem Kopf endlich verstummt war. »Nun, hier bin ich, Majestät«, sagte ich zu ihm und zu mir selbst.
    Veritas schwieg. Er hatte mir den Rücken zugewandt und angefangen, mit seinem Schwert die Skulptur zu traktieren. Er lag auf den Knien, hielt das Schwert am Griff und an der Klinge und kratzte mit der Spitze über den Stein am Vorderlauf des Drachen. Ich trat näher heran, um mir anzusehen, was er damit bezweckte. Sein Gesicht war so konzentriert, seine Bewegungen so zielstrebig, daß ich nicht wußte, was ich von seinem Benehmen halten sollte. »Veritas, was tut Ihr?« fragte ich behutsam.
    Er hob nicht einmal den Blick. »Ich erschaffe einen Drachen.«
    Mehrere Stunden später war er noch immer zugange. Das monotone Scharren von Metall auf Stein zerrte an meinen Nerven, bis ich glaubte, aus der Haut fahren zu müssen. Doch es war meine Aufgabe, bei ihm auszuharren. Merle und der Narr hatten unsere Jurte aufgebaut sowie ein zweites, kleineres Zelt, zusammengestückelt aus unseren nun überflüssigen Winterdecken. Ein Feuer brannte, und Krähe führte die Aufsicht über einen brodelnden Topf. Der Narr putzte und wusch seine Ausbeute an Kräutern und Wurzeln, derweil Merle in den Zelten das Bettzeug richtete. Kettricken war aufgetaucht, aber nur kurz, um Bogen und Köcher zu holen und uns mitzuteilen, daß sie mit Nachtauge auf die Jagd gehen wolle. Der Wolf hatte mir einen funkelnden Blick zugeworfen, und ich war stumm geblieben.
    Meine Versuche, in Erfahrung zu bringen, was sich alles zugetragen hatte, waren nicht sehr erfolgreich gewesen. Die Mauern um Veritas’ Bewußtsein waren hoch und fest. Ich empfing nur eine schwache Ahnung der Gabe von ihm, und was ich entdeckte, als ich nach ihm spürte, war noch beunruhigender. Ich erfaßte einen unsteten Strom der Alten Macht, vermochte ihn mir aber nicht zu erklären. Es war, als ob Veritas’ Leben und Bewußtsein zwischen seinem Körper und der Skulptur des Drachen fluktuierten. Mir fiel ein, wo mir etwas Vergleichbares aufgefallen war: bei dem Schwarzen Rolf und seinem Bären. Zwischen ihnen hatte es eine ähnliche Strömung gegeben. Ich vermute, wenn jemand zu mir und dem Wolf hingespürt hätte, hätte er das gleiche Phänomen entdeckt. Wir waren seit so langer Zeit verschwistert, daß wir fast eins geworden waren. Das erklärte allerdings weder, wie Veritas sich mit einem Steinbildnis hatte verschwistern können, noch weshalb er sich bemüßigt fühlte, mit seinem Schwert daran herumzukratzen. Es juckte mich, nach der Waffe zu greifen und sie ihm zu entreißen, doch ich beherrschte mich. Um die Wahrheit zu sagen, er ging mit einer Besessenheit zu Werke, daß ich mich fast fürchtete, ihn zu stören.
    Anfangs hatte ich mich bemüht, etwas aus Veritas herauszubekommen. Als ich ihn nach dem Schicksal derer fragte, die mit ihm von Bocksburg ausgezogen waren, hatte er nur den Kopf geschüttelt. »Sie bedrängten uns wie ein Schwärm Krähen einen Adler. Stürzten sich flügelschlagend und krächzend auf uns und flohen, wenn wir uns zum Kampf stellen wollten.«
    »Krähen?« fragte ich verständnislos.
    Er schüttelte den Kopf über soviel Begriffsstutzigkeit. »Gedungene Söldner. Sie schossen aus dem Hinterhalt auf uns. Manchmal überfielen sie uns nachts. Und einige meiner Männer wurden von der Gabe irre. Ich vermochte nicht das Bewußtsein derer abzuschirmen, die beeinflußbar waren. Sie sandten ihnen nächtliche Trugbilder und säten Mißtrauen unter ihnen. Deshalb trug ich ihnen auf umzukehren. Ich prägte ihnen meinen eigenen Gabenbefehl ein, um sie vor jedem anderen zu schützen.« Dies war ungefähr die einzige Frage, die er wirklich beantwortete. Von den anderen, die ich ihm stellte, zog er es vor, die meisten zu überhören, und die Antworten, die er sich entlocken ließ, waren entweder zusammenhanglos oder ausweichend. Also gab ich schließlich auf, und unversehens war ich es, der ihm Bericht erstattete, ganz wie früher. Ich begann mit dem Tag, an dem ich ihn hatte wegreiten sehen. Vieles von dem, was ich ihm erzählte, wußte er wahrscheinlich bereits, aber ich wiederholte es trotzdem. Falls sein Geist verwirrt war, wie ich befürchtete, half meine Erzählung vielleicht, seine Erinnerung

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