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Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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hatte, aber ich wurde enttäuscht. Eine Handvoll Münzen, ein Feuerstein und ein kleiner Wetzstein waren alles, was er bei sich hatte. Ich ließ die Börse zu Boden fallen und wischte mir die Hände an der Hose ab, als könnte ich so den Leichengeruch loswerden.
    »Es war Carrod«, setzte der Narr die anderen ins Bild. »Er muß durch den Pfeiler gekommen sein.«
    »Was hat ihn getötet?« wollte Krähe wissen.
    Ich begegnete ihrem Blick. »Ich weiß nicht. Die Gabe, vermutlich. Was immer es war, er hat versucht, sich davor zu verstecken – zwischen diesen Steinblöcken. Sehen wir zu, daß wir aus diesem Brodem herauskommen.«
    Wir kehrten zu dem Pfeiler zurück, Nachtauge und ich als letzte. Ich war verwirrt. Den toten Carrod zu sehen hatte mich schockiert. Ein Feind weniger, doch er war hier in diesem Steinbruch gestorben. Falls Veritas ihn mit der Gabe getötet hatte, ließ sich daraus vielleicht schließen, daß Veritas ebenfalls hier gewesen war. Ich fragte mich, ob wir irgendwo zwischen den Steinquadern über Burl und Will stolpern würden, ob auch sie hergekommen waren, um Veritas zu töten. Was mich jedoch mehr bedrückte, war der Verdacht, daß wir höchstwahrscheinlich nur Veritas’ Leichnam finden würden; aber Kettricken sagte ich nichts davon.
    Ich glaube, der Wolf und ich spürten es gleichzeitig. »Da ist etwas Lebendiges« sagte ich. »Weiter hinten im Steinbruch.«
    »Was ist es?« fragte der Narr.
    »Ich weiß nicht.« Ein Frösteln überlief mich. Die Emanationen kamen und gingen in Wellen. Je mehr ich mich bemühte, ein Bild davon zu bekommen, was sich dort unten befand, desto weniger konnte ich es erfassen.
    »Veritas?« fragte Kettricken. Es brach mir das Herz zu sehen, wie in ihren Augen neue Hoffnung erwachte.
    »Nein«, antwortete ich behutsam. »Ich glaube nicht. Es fühlt sich nicht an wie ein Mensch. Ich kann mich nicht erinnern, je ähnliche Signale empfangen zu haben.« Ich überlegte einen Augenblick, dann fügte ich hinzu: »Ich halte es für das beste, wenn ihr alle hier wartet, während der Wolf und ich nachsehen, womit wir es zu tun haben.«
    »Nein.« Krähe sagte es, nicht Kettricken, doch als ich meine Königin anschaute, erkannte ich, daß Krähe auch für sie gesprochen hatte.
    »Wenn überhaupt, dann möchte ich, daß du mit dem Narren hier zurückbleibst, während wir kundschaften gehen«, erklärte Krähe ernst. »Ihr beide seid es, die in Gefahr sind. Wenn Carrod hier war, können auch Burl und Will sich in der Nähe aufhalten.«
    Zu guter Letzt einigten wir uns darauf, alle gemeinsam und mit äußerster Vorsicht zu gehen. Wir fächerten aus und rückten langsam in den Kessel vor. Ich konnte keine genauen Angaben machen, wo ich das Lebewesen spürte, deshalb waren wir alle aufs äußerste angespannt. Der Steinbruch kam mir vor wie eine Art Kinderspielplatz, auf dem gigantische Bauklötze verstreut lagen. Wir kamen an einem teilweise behauenen Steinblock vorbei. Er besaß nichts von der Finesse der Skulpturen im Garten der Steine. In seiner Unfertigkeit wirkte er plump und krude, fast obszön. Ich mußte an den Fötus eines zu früh geborenen Fohlens denken. Der Block widerte mich an, und ich schlüpfte so schnell wie möglich daran vorbei zu meinem nächsten Ausguck.
    Die anderen handelten ähnlich. Sie bewegten sich von Deckung zu Deckung, und jeder bemühte sich, wenigstens einen der Gefährten in Sichtweite zu behalten. Ich hatte angenommen, mir könne nichts Bestürzenderes vor die Augen kommen als dieses mitten im Schöpfungsakt im Stich gelassene Steinbildnis, dann aber stand ich zutiefst erschüttert vor einer weiteren Skulptur. Ein im Sumpf gefangener Drache, ergreifend lebensecht, so daß sich einem vor Mitleid das Herz im Leibe herumdrehte. Die Schwingen der Kreatur waren halb ausgebreitet und die Augen unter den halbgesenkten Lidern im Todeskampf nach oben gerollt. Er trug einen menschlichen Reiter auf dem Rücken, eine junge Frau. Sie neigte sich auf den gebogenen Hals des Drachen, hatte ihn mit beiden Armen umfangen und drückte die Wange dagegen. Ihr Gesicht war eine Maske unaussprechlicher Verzweiflung, der Mund weit offen, die Züge verzerrt, und an ihrem Hals standen die Sehnen hervor wie Seile. Beide, das Mädchen und der Drache, waren in Farbe und Form ausgearbeitet bis ins kleinste Detail. Ich konnte die Wimpern der Frau erkennen, jedes einzelne ihrer goldenen Haare, die winzigen Schuppen um die Augen des Drachen, und sogar die Speicheltropfen an

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