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Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Meisters würdig zu sein. Ich wußte auch, erschüttert und befremdet, daß der Mörder zwei Dinge auf einmal hatte tun wollen: einem wehrlosen Kind eine Gnade erweisen und sich das Vergnügen gönnen, jemanden mit eigener Hand zu töten.
    Ich hatte einen Blick in das Herz meines Feindes getan, doch verstehen konnte ich ihn noch immer nicht.
    Unschlüssig schwebte ich hinter ihnen die Gasse entlang, körperlos, weniger als ein Geist. Gerade eben hatte ich noch ein Gefühl der Dinglichkeit verspürt, doch es war verflogen. Statt dessen trieb ich ziellos umher wie Rauch und beobachtete den Fall und Untergang von Grymmesmoor im Herzogtum Bearns. Wiederholt wurde ich von der Aura des einen oder anderen der Einwohner eingefangen, war Zeuge eines Kampfes, eines Sterbens, eines geglückten Entkommens. Immer noch kann ich die Augen schließen und jene Nacht wiedererstehen lassen, ein Kaleidoskop des Grauens, Splitter aus einem Dutzend Leben, die ich flüchtig teilte. Irgendwann fand ich mich dort wieder, wo ein einzelner Mann, das mächtige Schwert in der Faust, vor seinem brennenden Haus stand. Er hielt drei Korsaren in Schach, während hinter ihm seine Frau und die Tochter sich bemühten, einen schwelenden Balken hochzuheben und den darunter eingeklemmten Sohn zu befreien. Sie wollten gemeinsam fliehen, keiner von ihnen dachte daran, die anderen im Stich zu lassen; aber ich spürte, der Mann war zu erschöpft und vom Blutverlust geschwächt, um sein Schwert noch lange zu führen. Die Korsaren spielten mit ihm, brachten ihn dazu, seine Kräfte zu verausgaben, weil ihnen daran lag, die ganze Familie zu ergreifen und zu entfremden. Die Kälte des nahenden Todes sickerte durch den Körper des Mannes, und schon wollte ihm der Kopf auf die Brust sinken.
    Doch plötzlich richtete der Bedrängte sich auf, und ein seltsam vertrautes Leuchten trat in seine Augen. Er packte das Schwert mit beiden Händen und stürzte sich brüllend auf seine Gegner. Zwei machte er mit wenigen Hieben nieder, sie starben mit dem Ausdruck höchster Überraschung auf dem Gesicht. Auch der dritte vermochte seiner Raserei nicht lange zu widerstehen. Blut tropfte vom Ellenbogen des Mannes, tränkte seine Kleider, doch sein Schwert tönte glockenhell gegen die Klinge des Korsaren, überwand dessen Abwehr, zuckte vor und zeichnete eine dünne rote Linie über seine Kehle. Der Mann wartete nicht ab, bis sein Gegner fiel, er wandte sich um und eilte an die Seite seiner Frau. Ohne Zögern bückte er sich, packte den schwelenden Balken und hob ihn von seinem Sohn herunter. Ein letztes Mal sahen Mann und Frau sich in die Augen. »Lauf!« sagte er zu ihr. »Nimm die Kinder und bringt euch in Sicherheit.« Dann brach er zusammen. Er war tot.
    Während die Frau mit versteinertem Gesicht nach den Händen ihrer Kinder griff und mit ihnen in der Nacht verschwand, sah ich einen Schemen vom Körper des Toten aufsteigen. Mein erster Gedanke war: Das bin ich. Aber nein. Ich erkannte meinen Irrtum, als der Geist sich mir zuwandte. Die Ähnlichkeit der Gesichter – so hatte er ausgesehen, als er in meinem Alter war. Es bestürzte mich zu erkennen, daß Veritas noch immer dieses Bild von sich hatte.
    Du hier? Er schüttelte mißbilligend den Kopf. Sehr gefährlich, Junge. Selbst ich bin ein Narr, mich darauf einzulassen. Und dennoch – was bleibt uns anderes übrig, wenn sie uns zu sich rufen? Er musterte mich, der ich stumm vor ihm stand. Wann hast du deine Fähigkeit entdeckt, mit der Gabe zu wandern?
    Ich gab keine Antwort. Ich war leer; ich hatte keine eigenen Gedanken. Ich fühlte mich wie ein nasses Laken, das im Wind flatterte, substanzlos wie ein Blatt im Wind.
      Fitz, dies ist gefährlich für uns beide. Geh zurück, geh zurück. Hat es wirklich Zauberkraft, dieses Nennen von Namen? Die alten Lehren behaupten es. Ich erinnerte mich plötzlich daran, wer ich war und daß ich nicht hierher gehörte. Doch ich hatte keine Vorstellung davon, wie ich an diesen Ort gekommen war, und so wußte ich nicht, wie ich es anstellen sollte, in meinen Körper zurückzukehren. Hilflos schaute ich Veritas an, unfähig sogar, eine Bitte um Hilfe zu formulieren.
    Er verstand. Er hob einen durchsichtigen Arm, und es war, als hätte er mir mit dem Handballen einen leichten Stoß gegen die Stirn versetzt.
    Mein Kopf schlug gegen etwas Hartes, und ich sah plötzlich Sterne. Als sich mein Blick klärte, saß ich im Stroh in der Scheune hinter dem Gasthaus ›Zur Waage‹, um mich herum nur

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