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Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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friedvolle Dunkelheit, schlafende Tiere, Stallgeruch. Langsam sank ich zur Seite, als Welle um Welle von Schwindelgefühl und Übelkeit mich durchfluteten. Die Schwäche, die mich jedesmal überfiel, wenn es mir gelungen war, von der Gabe Gebrauch zu machen, beutelte mich wie die Katze die Maus. Ich öffnete den Mund, aber statt eines Hilferufs kam nur ein wortloses Krächzen über meine Lippen. Ich schloß die Augen und stürzte in den schwarzen Rachen des Vergessens.
    Vor Tagesanbruch erwachte ich, kroch zu meinem Bündel, kramte darin und stolperte dann mühsam zur Hintertür der Schänke, wo ich mir von der Köchin einen Becher heißes Wasser erbettelte. Sie schaute ungläubig zu, als ich ein paar Stücke Elfenrinde hineinkrümelte.
    »Ihr wißt wohl, daß das nicht gut für Euch ist«, warnte sie und schüttelte mißbilligend den Kopf, als ich das dampfende, bittere Gebräu hinunterschüttete. »Den Sklaven gibt man das, unten in Bingtown. Sie mischen es ihnen ins Essen, damit sie weiterarbeiten können. Hält sie auf den Beinen, aber es nimmt ihnen den Lebensmut, sagt man. Raubt ihnen den Willen, sich aufzulehnen.«
    Ich hörte kaum zu, ich wartete darauf, daß die Wirkung einsetzte. Die Rinde stammte von jungen Bäumen und besaß vielleicht noch nicht die volle Kraft. Tatsächlich dauerte es eine Weile, bis ich die belebende Wärme durch meine Adern kriechen fühlte. Meine Hände hörten auf zu zittern, und das Flimmern vor meinen Augen ließ nach. Ich erhob mich von meinem Platz auf der obersten Stufe der Hintertreppe, dankte der Köchin und gab ihr den Becher zurück.
    »Eine schlechte Angewohnheit und dazu bei einem so jungen Mann«, tadelte sie und kehrte zu ihren Töpfen zurück. Während langsam die Sonne über die Hügel stieg, unternahm ich einen Gang durch den Ort. Anfangs war mir, als müßte ich niedergebrannte Häuser sehen, geschwärztes Mauerwerk und Entfremdete mit leeren Augen, die durch die von Trümmern und Leichen übersäten Gassen schlurften. Aber der helle Sommermorgen und der milde Wind vom Fluß vertrieben die Schrecken der Nacht. Bei Tageslicht fand ich meinen Eindruck vom Abend zuvor bestätigt: Das Städtchen hatte schon bessere Tage gesehen. Es schien hier mehr Bettler zu geben als in Burgstadt, aber vielleicht war dafür die Lage am Fernweg und an der bedeutendsten Wasserstraße der Sechs Provinzen verantwortlich.
    Während ich den Marktplatz überquerte, der sich langsam belebte, beschäftigten meine Gedanken sich mit den seltsamen Erlebnissen der vergangenen Nacht, doch bald ließ ich das fruchtlose Grübeln sein. Ich wußte nicht, wie ich es angestellt hatte, meinen Körper zu verlassen und wie ein ruheloser Geist umherzuwandern. Höchstwahrscheinlich würde es mir nie wieder gelingen. Zu wissen, daß Veritas noch lebte, war eine Erleichterung, auch wenn es mir Sorge bereitete, wie freigebig er seine Gabenkraft verschwendete. Ich fragte mich, wo er an diesem Morgen sein mochte und ob er, wie ich, mit dem Geschmack von Elfenrinde im Mund die Sonne aufgehen sah. Wenn ich Meister der Gabe gewesen wäre, statt ihrer Willkür ausgeliefert, hätte ich mir Gewißheit verschaffen können. Der Gedanke war nicht dazu angetan, mich aufzuheitern.
    Als ich zur Waage zurückkehrte, waren meine neuen Reisegefährten bereits aufgestanden und frühstückten Hafergrütze. Ich setzte mich zu ihnen, und Josh bekannte freimütig, sie wären alle der Meinung gewesen, ich hätte mich heimlich davongemacht. Imme würdigte mich keines Wortes, aber einige Male ertappte ich Melisma dabei, wie sie mich nachdenklich musterte. Es war noch immer früh am Morgen, als wir aufbrachen, und wenn wir auch nicht marschierten wie Soldaten, schritt Josh doch wacker aus. Ich hatte geglaubt, er müßte geführt werden, doch er ließ sich von seinem Wanderstab den Weg weisen. Manchmal ging er neben Imme oder Melisma und hatte eine Hand auf der Schulter des Mädchens liegen; allerdings schien das mehr eine Geste der Vertrautheit zu sein als Notwendigkeit. Auch über Langeweile brauchten wir nicht zu klagen, denn beim Gehen belehrte Josh uns alle – hauptsächlich aber Melisma – über die Geschichte dieser Region und überraschte mich mit seinem umfassenden Wissen. Gegen Mittag legten wir eine kurze Rast ein, und die Vaganten teilten mit mir ihre karge Wegzehrung. Ich nahm es nicht gerne an, doch mir fiel kein Vorwand ein, um mich für eine Zeitlang von ihnen zu trennen und mit dem Wolf zu jagen. Seit wir die Stadt

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