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Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Straßen gehört hatte, machte mir zu schaffen. Die Vaganten kletterten auf den Heuboden hinauf, um dort weich gebettet zu schlummern, ich aber suchte mir eine Ecke, wo ich Rückendeckung hatte und die Tür im Blick. Ein seltsames Gefühl, wieder einmal eine Nacht in einer Scheune zu verbringen. Diese hier war ein fester Bau, errichtet aus Flußgestein und Mörtel und Balken. Der Wirt hielt eine Kuh und eine Schar Hühner neben seinen Mietpferden und den Tieren der Gäste. Die mir seit meiner Kindheit vertrauten Laute und Gerüche, würziger Heuduft, raschelndes Stroh, weckten sehnsüchtige Erinnerungen an Burrichs Ställe. Plötzlich empfand ich ein brennendes Heimweh.
    Wie mochte es Burrich gehen? Wußte er von Philias Opfern? Ich dachte an die Liebe, die sie einst füreinander empfunden hatten, und wie sie an Burrichs Auffassung von Pflicht und Ehre scheiterte. Philia hatte sich dann meinem Vater anvermählt, eben jenem Mann, dem Burrichs Treue gehörte. Ob er je daran gedacht hatte, zu ihr zu gehen und sie zurückzugewinnen? Nein. Ich wußte es sofort und ohne jeden Zweifel. Chivalrics Geist würde ewig zwischen ihnen stehen – und jetzt auch noch der meine.
    Von diesen Grübeleien war es nicht weit bis zu dem Gedanken an Molly. Sie hatte für uns die gleiche Entscheidung getroffen wie Burrich für Philia und sich. Molly hatte mir vorgeworfen, ich würde immer meinen König über alles andere stellen und deshalb könne es keine gemeinsame Zukunft für uns geben. Sie hätte jemanden gefunden, den sie lieben konnte, wie ich Veritas liebte. Ihre Entscheidung hatte mir das Herz gebrochen. Das einzig Gute daran war, daß sie ihr das Leben gerettet hatte. Sie hatte mich verlassen. Sie war nicht in Bocksburg gewesen, um meinen Sturz und meine Demütigung mitzuerleben.
    Ich tastete mit der Gabe nach ihr, doch als es mir zu Bewußtsein kam, machte ich mir selbst heftige Vorwürfe. Wollte ich sie wirklich sehen, heute nacht, schlafend in den Armen eines anderes Mannes, sein Eheweib, vielleicht bald Mutter seiner Kinder? Bei dem Gedanken durchfuhr mich ein schmerzhafter Stich. Ich hatte kein Recht, das Glück zu belauschen, das sie sich geschaffen hatte. Doch als ich langsam eindämmerte, dachte ich an sie und sehnte mich hoffnungslos nach dem, was zwischen uns gewesen war.
    Eine seltsame Fügung bescherte mir statt dessen einen Traum von Burrich, ungemein wirklich, doch er ergab keinen Sinn. Ich saß Burrich gegenüber, an einem Tisch vor einem Feuer. Er besserte Zaumzeug aus, wie es abends seine Gewohnheit war. Aber ein Becher Tee hatte sein Branntweinglas ersetzt, und das, woran er arbeitete, sah aus wie ein zierlicher Schuh, viel zu klein für ihn. Die Ahle fuhr durch das weiche Leder wie durch Butter und in seinen Finger. Er fluchte im ersten Schreck, dann blickte er auf und bat mich um Entschuldigung, weil er sich in meiner Gegenwart vergessen hatte.
    Ich erwachte aus dem Traum, verwirrt und nachdenklich. Burrich hatte oft Schuhe für mich gemacht, als ich klein war, doch ich konnte mich nicht erinnern, daß er je auf die Idee gekommen wäre, sich für sein Fluchen in meiner Gegenwart zu entschuldigen, obwohl er derlei Ausrutscher meinerseits handgreiflich zu ahnden pflegte. Unfug. Ich schüttelte den Traum ab, aber mit ihm floh mich auch der Schlaf.
    Um mich spürte ich die ungeformten Träume der schlafenden Tiere. Überall nächtlicher Friede, nur ich fand keine Ruhe. Gedanken an Chade stiegen in mir auf und quälten mich. Er war längst ein alter Mann. Als König Listenreich noch lebte, hatte er dafür gesorgt, daß es seinem Assassinen, der auch sein Halbbruder war, an nichts fehlte. Nur selten hatte Chade seinen Schlupfwinkel verlassen, außer, um seine ›diskrete Arbeit‹ zu tun. Jetzt war er auf sich allein gestellt, versuchte El weiß was zu tun, und Edels Häscher waren ihm auf den Fersen. Ich rieb mir die schmerzende Stirn. Sinnlos, dieses Grübeln, aber ich konnte nicht aufhören.
    In der Stille hörte ich Bretter knarren, dann jemanden leichtfüßig die Leiter vom Heuboden hinuntersteigen und die letzte Sprosse überspringen. Wahrscheinlich eins der Mädchen auf dem Weg zum Abort. Doch einen Augenblick später hörte ich Immes Stimme flüstern: »Cob?«
    »Ja, was ist?« fragte ich ungehalten.
    Sie wandte sich in die Richtung meiner Stimme, und ich hörte sie näherkommen. Das Zusammensein mit dem Wolf hatte meine Sinne geschärft. Ein wenig Mondlicht sickerte von draußen durch einen schadhaften

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