Die Legende von Carter Prewitt
blindlings. Jud Dermitts Verstand begann zu blockieren.
Mündungsfeuer stießen grell auf Jud Dermitt zu. Eine Kugel bekam sein Pferd in den Kopf, die andere bohrte sich mit einem fürchterlichen Schlag in die Brust des Mannes. Das stürzende Pferd begrub ihn unter sich. Jäh riss Jud Dermitts Denken ab.
Jeff Porter nahm einen dunkel und drohend anmutenden Reiterschemen nur wenige Schritte vor sich wahr. Im vollen Galopp feuerte er mit dem Revolver. Der Reiter wurde vom Pferd gefegt. Das reiterlose Tier lief weiter. Jeff Porter überholte es. Und wieder sah er einen der Nachreiter vor sich. Von der Seite näherte sich ein zweiter großer Schatten, der sich schnell als Reitersilhouette entpuppte. Jeff Porter feuerte, und er konnte erkennen, dass sein Geschoss den Burschen, der vor ihm ritt, auf den Pferdehals warf. Doch da blitzte es bei dem Reiter auf, der von rechts kam. Er jagte eine ganze Serie von Kugeln aus dem Lauf. Jeff Porters Oberkörper wurde von den Treffern geschüttelt und herumgerissen. Der Weidereiter stürzte vom Pferd. Sein Gesicht lag im nassen, niedergetrampelten Gras, Jeff Porter fiel in eine gähnende, bodenlose Leere …
Ein greller Blitz lichtete die Finsternis. Wie glitzernde Glaskugeln starrten die gebrochenen Augen der getöteten Treibherdencowboys in die gleißende Helligkeit hinein. Noch im Tode waren ihre Gesichter vom Grauen entstellt.
Ein rauer Befehl wurde gebrüllt. Die Stimme des Mannes vermochte kaum den Lärm zu überbieten. Wieder lohten Sturmfeuerzeuge auf …
Schon zogen die nächsten Dynamitpatronen ihre verhängnisvolle Bahn. Wie das Krachen von Feldhaubitzen erhoben sich die Explosionen über die Herde, begleitet vom Auseinanderplatzen der grellen Blitze. Wieder wurden Rinder wie von einer Riesenfaust weggeschleudert. Und dann war das Inferno perfekt.
Die Reiter rissen die Pferde herum und jagten sie zum Rand der Senke. Die Longhorns drängten auseinander. Brüllen und Muhen prallte gegen die Hügelflanken und Wälder und wurde zurückgeworfen. Rinder stürzten und kamen nicht mehr hoch. Andere stiegen auf, drückten die Tiere unter sich zu Boden. Sie waren wie rasend vor Panik. Und schließlich brach die Herde auseinander. Wie ein entfesseltes Element, wie von Furien gehetzt, rannten die Rinder in alle Richtungen davon. Der Boden erzitterte wie bei einem Erdbeben. Was den von Panik und Entsetzen getrieben Tieren in den Weg kam, wurde gnadenlos niedergetrampelt. Tote und sterbende Rinder blieben liegen. Die Remuda wurde mitgerissen …
*
Carter Prewitt und die anderen Männer, die beim Fuhrwerk geschlafen hatten, als der Zauber losbrach, waren wie von Taranteln gestochen aufgesprungen, hatten sich auf die Pferde geworfen und den Tieren unbarmherzig die Sporen gegeben. Der Reiterpulk riss auseinander. Das Peitschen von Schüssen verschmolz mit dem Stampfen von Hufen und all den anderen Geräuschen, die dieses nächtliche Szenario hinterlegten.
Carter Prewitt brauchte nicht zu raten. Ihm war klar, dass die Starr-Mannschaft gekommen war, um die Drohung, die am Abend James Allison erhielt, auf die raue Tour in die Tat umzusetzen.
Prewitt nahm Reiterschemen wahr und sah die Mündungsblitze. Die Erde schien unter etwa siebentausend Hufen aufzubrechen. Rinder kamen Prewitt entgegen und er musste ihnen ausweichen, um nicht in Grund und Boden gestampft zu werden.
Entsetzen kochte in Carter Prewitt hoch, eine Art von Verzweiflung gesellte sich hinzu, und dann spürte er noch etwas – Zorn, grenzenlosen, vernichtenden Zorn.
Ein Reiter kam ihm entgegen. Prewitt riss die Hand mit dem Revolver in die Höhe. Aber dann riss der Reiter bei ihm das Pferd auf die Hanken nieder. Es war Gus Callagher. Er musste über die scharfen Augen einer Eule verfügen, denn er hatte Carter Prewitt trotz Regen und Dunkelheit erkannt. Vielleicht war es auch die Art Prewitts, zu reiten. Callagher brüllte: »Die Herde rennt in alle Richtungen davon. Wir können Sie nicht aufhalten. Ich bringe mich in Sicherheit. Die Longhorns trampeln alles nieder, was ihnen unter die Hufe kommt.«
Er hieb dem Pferd die Sporen in die Weichen und sprengte davon.
Eine schwarze Lawine aus tonnenschweren Leibern wälzte sich auf Carter Prewitt zu. Schnell schwang er sein Pferd herum und folgte dem Banditen im stiebenden Galopp in die Dunkelheit hinein. Er hielt sich nach rechts, um aus der Marschrichtung der durchgehenden Rinder zu gelangen, die ihm folgten.
Ein Blitz erhellte sekundenlang die Nacht.
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