Die Legende von Carter Prewitt
gelber, verschwommener Lichtfleck die bedrohlich anmutenden Wolkenberge auf. Blitze flammten über den Himmel. Danach war lang anhaltendes Donnerrollen zu vernehmen. Von einem zum anderen Mal wurden die Donnerschläge lauter, was den Cowboys Jud Dermitt und Jeff Porter verriet, dass sich das Unwetter sehr schnell näherte. Eines jener gefürchteten Sommergewitter war im Anmarsch.
Die Rinder schliefen unruhig. Die Cowboys ritten in entgegengesetzter Richtung um die lagernde Herde. Nach jeweils einer halben Runde trafen sie aufeinander.
Jud Dermitt war nervös. Ihn fröstelte es. Wenn irgendwo ein Stier brüllte, zuckte er zusammen. Er spürte die Gefahr, die die Dunkelheit barg. Die Reiter von der Starr Ranch hatten keinen Zweifel offen gelassen. Aber es war unmöglich, die Herde in der Finsternis und bei diesem Gewitter hochzujagen, um sie nach Süden vom Weidegebiet der Starr Ranch zu treiben.
Wieder zuckte ein Blitz aus den sich drohend türmenden Wolken. Das Land wurde in bläuliches Licht getaucht, und für Sekunden wurden die Konturen der Hügel ringsum aus der Finsternis gerissen. Ein berstender Schlag folgte. Die Unruhe in der Herde verstärkte sich. Viele Tiere ruckten hoch, witterten, prusteten, brüllten und muhten.
Rastlos ritt Jud Dermitt seine Runde. Einmal heulte in der Ferne ein Coyote. Lang gezogen, durchdringend und schauerlich. Andere stimmten ein. Wie ein vielstimmiger Choral wehte das Heulen heran. Das Pferd unter Jud Dermitt warf nervös den Kopf in den Nacken und wieherte. Jud Dermitt knirschte eine Verwünschung.
Wie aus dem Nichts tauchte plötzlich Jeff Porter auf. Pferd und Reiter waren durch die Finsternis nur ein großer, unförmiger Schemen. Anhaltendes Donnergrollen rollte durch die Nacht. Es regnete leise. Heiser rief Jeff Porter: »Das ist eine verdammte Nacht, Jud, das sage ich dir. Die Kuhschwänze sind ziemlich nervös, und wenn ein Blitz zwischen sie fährt, haben wir das Chaos perfekt.«
»Vielleicht ist Prewitt klug genug und schickt uns einige Männer zur Verstärkung«, antwortete Jud Dermitt lahm. »Hast du irgendetwas Verdächtiges wahrgenommen, Jeff?«
»Nein.« Jeff Porter lachte freudlos auf. »In einer solchen Nacht bleiben sogar die Skunks in ihren Löchern.«
Die Pferde stampften unruhig auf der Stelle und scharrten mit den Hufen. Die Nervosität ihrer Reiter schien sich auf sie übertragen zu haben. Ringsum war Muhen und Brüllen.
»Okay, Jeff, mach’s gut«, murmelte Jud Dermitt, hob die Hand zum Gruß und trieb das Pferd mit einem Schenkeldruck an. Sie ritten auseinander.
Mit dem Wind trieben schwerere Regentropfen heran, und bald prasselte der Regen Jud Dermitt ins Gesicht. Er schlug den Kragen seines Regenumhanges hoch und rückte sich den Hut tiefer in die Stirn.
Ein krachender Donnerschlag drohte den Jüngsten Tag anzukündigen. Unmittelbar vorher war ein gewaltiger Blitz zur Erde gerast. In vielfältigen Echos verrollte der Donner, und in das sich entfernende Grollen hinein glaubte Jud Dermitt durch das Rauschen des Regens dumpfes Getöse zu vernehmen. Er zerrte das Pferd in den Stand, drehte das Ohr in den Wind, der von Nordwesten kam, und lauschte angespannt.
Jud Dermitt hatte sich nicht geirrt. Das pochende Geräusch verursachten mehrere Pferde, die schnell getrieben wurden.
Alarmglocken schlugen in Jud Dermitts Bewusstsein an. Fast automatisch griff er nach dem Gewehr und zog es aus dem Sattelschuh, entschlossen hebelte er eine Patrone in den Lauf.
Einen Augenblick versuchte er sich damit zu beruhigen, dass vielleicht Carter Prewitt Verstärkung aus dem Weidecamp schickte. Er verwarf diesen Gedanken sogleich wieder, denn das Camp lag im Osten, der Hufschlag aber näherte sich von Westen.
Das Herz schlug dem Cowboy plötzlich bis zum Hals hinauf. Ratlos schaute er hinter sich, aber da war nur die Masse der erregten Rinder, deren Leiber in der Finsternis ineinander zu verschmelzen schienen. Von Jeff Porter war nichts mehr zu sehen.
Für einige Sekunden wurde der Hufschlag von einem berstenden Donner verschluckt. Dann wurde er wieder laut, und er schien Jud Dermitt jetzt viel deutlicher vernehmbar. Es konnte sich nur um die Reiter der Starr Ranch handeln. Unschlüssig rutschte der Cowboy im Sattel herum. Sollte er versuchen, das Camp zu erreichen, um Hilfe zu holen?
Jud Dermitt verwarf diesen Gedanken wieder. Er spürte den Regen nicht mehr. Auch die Kälte nahm er nicht mehr wahr. Hart klatschten die hagelkörnerschweren Tropfen in sein
Weitere Kostenlose Bücher